Fotografen und andere kreative Freiberufler müssen für Veränderungen, wie jener durch das Internet, in der wir uns gerade befinden, besonders sensibel sein. Sie sind einerseits in ihrer Existenz direkt davon betroffen, und sollten andererseits solche gesellschaftlichen Veränderungen visuell umsetzen oder dokumentieren. Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen globalen Erschütterungen fällt mir auf, wie von Illusionen getrieben die Haltung vieler, auch gestandener Berufsfotografen immer noch ist. Gar nicht zu sprechen von den Möchtegern-Profi-Fotografen, also jenen, die noch in einem ungeliebten Beruf verharren, um bei nächstbester Gelegenheit „den Sprung ins Profi-Lager“ (wie es immer so seltsam heißt) zu schaffen.
Traumberuf Fotograf: Was mit Mädels und Technik
Die Fotografie als Erlösung vom beruflichen Einerlei ist eine weitverbreitete Wunschvorstellung. Solange es eine kleine Flucht ist, die man sich offen hält: wunderbar. Was könnte man Tolles mit der Kamera machen? Am Wochenende, beispielsweise? Statt sich ein interessantes Projekt zu suchen, dessen Realisierung nicht nur glücklich macht, sondern auch die eigene Kreativität entwickelt, passiert meist das krasse Gegenteil, der Pseudo-kommerzielle-Auftrag. Mann fotografiert ein Model, das nicht weiß, wie es gucken oder stehen (Pardon: posen) soll, in einer beliebigen Klamotte, und denkt dann, das habe irgendetwas mit einer professionellen Fotoproduktion zu tun. Das ist eine Illusion. Aber ich sehe vermehrt auch grauenhaft fotografierte Mode in Imagepublikationen von Designern und in Modemagazinen. Das ist deprimierend, weil es zeigt, wie wenig Qualität von Auftraggebern anscheinend noch erkannt und somit nachgefragt wird. Wird sie denn überhaupt angeboten? Der gute Fotograf erklärt dem Kunden die Unterschiede. Der weniger versierte Fotograf sieht Mängel nicht einmal auf seinen eigenen Fotos, sondern verlässt sich darauf, die vermeintlich bessere technische Ausrüstung zu besitzen und damit zu punkten. Nun wird aber gerade die Technik immer verfüg- und damit austauschbarer. Und somit geht es nur noch um den Preis. Dabei müssen alle Megapixelaufrüster aufpassen, nicht als Hamster im Rad zu enden: Immer schneller laufen, um die steigenden Investitionen mit sinkenden Einnahmen zu kompensieren.
Traumberuf Fotograf: Ohne Anstrengung zu Geld und Ruhm
Viele Fotografierende meinen auch, zielloses Schlendern mit der Kamera, also eigentlich völlig anspruchsloses Knipsen, wäre durchaus präsentationswürdig. Solange dieser Irrtum Hobbyfotografen unterläuft, ist das verständlich und okay. Aber erst neulich erlebte ich, wie ein etablierter Berufsfotograf Urlaubsfotos projizierte und damit nicht genug, diese auch noch in einer Galerie verkaufen will. Standardmotive aus New York: der Würstchenverkäufer, der Blick vom Empire State Building, gelbe Taxis. Jeder kennt sie und vielleicht möchte das auch jeder einmal selbst abgelichtet haben. So weit, so gut. Aber was heißt es, wenn ein Berufsfotograf ganz normale Urlaubsfotos vor Publikum präsentiert, ohne sich etwas dabei zu denken? Dass man keine Distanz zur eigenen Fotoproduktion hat? Dass man nicht versteht, warum Erinnerungsmotive privat sind und bleiben sollten? Oder gar: Weil man sich für so großartig hält, dass jeder Druck auf den Auslöser ein Motiv hervorbringt, das andere sehen wollen? Der Knüller ist der mehr oder minder deutlich ausgesprochene Hintergedanke, das sei Kunst! Wie einfach kann man es sich als Fotograf machen? Diese Ignoranz gegenüber der Kunst und die Arroganz gegenüber Fotografen, die tatsächlich künstlerisch arbeiten, kann doch keine ernsthafte Arbeitsgrundlage sein! Wie naiv darf man – heute noch – mit seiner eigenen Profession umgehen, wenn man erfolgreich arbeiten will?
Auch in der Fotografie wackelt es und wird sich, was den Beruf angeht, in der nächsten Zeit neu zurecht ruckeln. Fotograf wird ein gut bezahlter Traumjob bleiben – aber nur für jene, die bereit sind, sich auf die geänderten Bedingungen einzustellen, ihre Selbstpräsentation zu überprüfen und an ihrer Bildsprache zu arbeiten.