Das wichtigste Ereignis im Leben einer Pygmäen-Frau vom Stamm der Ekonda in der Demokratischen Republik Kongo ist die Geburt ihres ersten Kindes. Die junge Mutter wird „Walé“ genannt. Sie lebt mehrere Jahre in Abgeschiedenheit, getrennt von ihrem Ehemann, umsorgt von weiblichen Stammesmitgliedern und täglich eingerieben mit einem roten Puder aus Ngola Holz. Bei ihrer Rückkehr in die Stammesgemeinschaft berichtet sie von ihren Erfahrungen in Liedern und Tänzen, die sie in einer feierlichen Aufführung darbietet.
Als der gebürtige Franzose Patrick Willocq auf diese Feiern aufmerksam wurde, konstruierte er in einzigartiger Zusammenarbeit mit einigen Walés, ihren Clans, einem Ethno-Musikologen, einem Künstler und zahlreichen Kunsthandwerkern des Waldes aufwändige Szenenbilder, die von den Gesängen der Mütter der Ekonda inspiriert sind. Hier, mitten im Dschungel, fotografierte er die Frauen in inszenierten Bildern. Das Buch versammelt die zwischen 2013 und 2015 entstandenen Serien „I Am Walé“, „Respect Me“ und „Forever Walé“.
Warum ich dieses Buch vorstelle
Das hat zwei Gründe: Erstens ist es als Buch (-Objekt) interessant. Vom Prägedruck auf dem Umschlag über die vielen Making-of-Bilder bis zum QR-Code, mit dem man die Lieder abrufen kann, bietet es ein medienübergreifendes Eintauchen in einen uns fremden Ritus und dessen künstlerische Transformation.
Zweitens, weil ich Patrick Willocq großartig finde. Bei den Recherchen zu meinem eigenen Buch „Fotopraxis mit Perspektive“ stand er noch ganz am Anfang einer wirklich kometenhaften Karriere. Ich bewundere sehr seine Hingabe an seine Motivwelt, den Aufwand der Inszenierung und daß er zugleich akribisch dokumentiert. Er ist jemand, der viele Jahre für Konzerne tätig war und dann erst zu seiner Berufung fand, über die Rückkehr zu seinen Wurzeln – einer Kindheit im Kongo. Für mich beweist Patrick Willocq damit viele meiner Thesen und mehr noch: Die internationale Anerkennung zeigt, dass Hingabe und Aufwand belohnt werden. Das ist wunderbar.
Was mich erstaunt
Die Bilder von Patrick Willocq sind groß. Sehr groß. So etwa Einmeterzehn auf Einmeterfünfzig. Das Buch ist klein. Sehr klein (15,5 x 23 cm). Das spricht überhaupt nicht gegen das Buch. Es ist nur solch ein enormer Größenkontrast zwischen den Tableaus und deren Buchpräsentation. Logisch: Ein Buch ist meist viel kleiner als ein Wandbild, hat aber dafür Seiten: 208 mit 178 Abbildungen und 20 Zeichnungen. Alle Texte auf Englisch. Gerade erschienen im Kehrer Verlag, 39,90 €, ISBN 978-3-86828-830-8.
Patrick Willocq – The Songs of the Walés from Kehrer Verlag Heidelberg on Vimeo.