Auftragsfotografie in der Krise?

Fotografierender Mann
Foto: Kaboompics

Der seit Jahren schwächelnde Editorial-Bereich fällt als Einkommensquelle zusehends aus. In vielen weiteren Sektoren der kommerziellen Fotografie wird sich der Konkurrenz- und Preisdruck durch die Nutzung generativer KI extrem verstärken. Was tun? Wie sollen Fotografinnen und Fotografen reagieren?

Wird man mit dem Fotografieren zukünftig noch den gewohnten Lebensstandard halten können? Wie immer lautet die Antwort: Das kommt darauf an! Werbefotografie ist eine sehr gut bezahlte Tätigkeit. Wer Nutzungsrechte geltend macht, hat eine von Fotografinnen und Fotografen erstrittene, zugleich privilegierte Einkommensquelle. Von solchen monetären Verhältnissen können dokumentarisch arbeitende Magazinfotografen nur träumen. Mit anderen Worten: Die Einkommensschere geht weit auseinander.

Lange vor der aktuell die Einkommensverhältnisse bedrohenden Anwendung künstlicher Intelligenz zur Bilderstellung breitete sich eine branchenübliche Gepflogenheit aus, die fürs Gros der Fotografen direkt ins finanzielle Verderben führt: Das Abrechnen der Tagessätze. Warum Verderben? Weil inzwischen nur noch der Preis zählt, aber kaum mehr der Wert einer Arbeit.

Wie konnte das geschehen?

Herleiten kann man es aus der goldenen Aera der Werbe- und Editorial-Fotografie in der vordigitalen Zeit, namentlich den Achtziger- und Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Als es nur „Print“ gab, flossen die Werbegelder in die Magazine und Zeitungen. Entsprechend konnten die Redaktionen zeitlich großzügig bemessene Aufträge vergeben, die ordentlich honoriert wurden. Zudem leistete man sich sogar fest angestellte Fotografinnen und Fotografen. Gar nicht zu reden von der hoch bezahlten Werbefotografie, mit der ein gehobener Lifestyle, wie man heute sagen würde, selbstverständlich einherging.

Als die goldenen Jahre der kommerziellen Fotografie möchte ich diese Zeit bezeichnen, weil es eine Wertschätzung für fotografische Arbeit gab. Diese Wertschätzung drückte sich unter anderem monetär aus. Jedem an den Aufträgen Beteiligten war klar, dass die jeweiligen Fotografien entweder einem Magazin sein Gesicht und seine Attraktivität gaben oder im Falle der Werbefotografie schlicht dazu dienten, Konsumanreize zu liefern – wobei sich beides auch noch wunderbar ergänzen konnte.

Gerade in der kommerziellen Fotografie lief die Abrechnung der Honorare und Produktionskosten meist über Agenturen und da war (und ist) das Modell Zeit-gegen-Geld kein Problem. Ganz einfach, weil sich die Höhe des gezahlten Satzes nach dem Wert der Arbeit richtete und die Zeit nur ein Anhaltspunkt war. Darum waren die Tagessätze von Automobilfotografen höher als die von anderen, eben auch, weil der Wert des Produktes, im Sinne von angestrebtem Umsatz, bei „Transportation“ größer war als beim Fotografieren von beispielsweise Legeware. Eingepreist in den Tagessatz wird auch das Image eines Fotografen. Dieses ist (wohl mehr denn je) für etliche Auftraggeber relevanter als die handwerkliche Befähigung und Leistung.

Wie schmelzende Eisberge

Dann änderten sich mit der Digitalisierung so ziemlich alle Voraussetzungen unter denen Fotografie zuvor als Beruf funktioniert hatte. Gerade in der Fotobranche wird dabei meist nur an die Veränderungen beim Equipment und Workflow gedacht. Dabei sind die handwerklichen Aspekte eigentlich Marginalien. Bedeutsamer wäre in dieser Hinsicht, dass mit Aufkommen des iPhones die Entwertung kamera-technischen Know-hows einsetzte.

Wie Schollen von einem schmelzenden Eisberg brechen seit zwanzig Jahren Felder weg, die Fotografinnen und Fotografen Profilierungs- und Verdienstmöglichkeiten geboten hatten. Das Elend mit der News-Fotografie in Smartphonezeiten ist ohnehin jedem klar. Doch es betrifft ja auch so etwas Exotisches wie die Celebrity-Fotografie: Promis zu fotografieren garantierte 150 Jahre lang Aufmerksamkeit. Und wenn man den VIPs bei aufwändigen Studiosessions seinen eigenen Stil aufdrücken konnte, war der eigene Ruhm gesichert. Das galt seit Julia Margaret Cameron (†1879) und dürfte in Zeiten der Selbstinszenierung der Stars auf Insta und TikTok nun ziemlich passé sein.

2023 schießen Serviceanbieter für die KI-Bilderstellung wie Pilze aus dem Boden. Und die bedrohen gerade einen bisher sicheren Hafen, die Werbe- und die Architekturfotografie. Entwürfe, die ohnehin als Datensatz existieren, können nun mittels Spracheingabe in komplexe fotorealistische Bilder übersetzt werden und bald auch in Videos. Kosten für eine aufwändige PostProduction entfallen ebenso wie die Diskussion über Nutzungsrechte am Material. Und seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung 2018 können nun endlich wieder Menschen abgebildet werden, wenn auch keine echten, sondern solche, die aus mehreren Vorlagen gerendert werden.

Alles dies hat zudem weitreichende gesellschaftliche Folgen bezüglich Urheberrecht und der Frage, wer wird überhaupt noch Abgaben in die Künstlersozialkasse zahlen müssen? Und was wird aus der Altersversorgung der KSK-Pflichtigen?

Mehr als Zahlen, bitte

Ein Gamechanger der üblen Sorte war für die Auftragsfotografie nichts Technisches, sondern vielmehr die Veränderung in den Unternehmen. Wo es früher die Kreation gegeben hatte, die visuelle Arbeiten briefen konnte und zu schätzen wußte, entscheidet heute ein Productmanager, das Marketing oder gleich das Controlling. Mit Fotografie kennen sie sich nicht aus. Wonach sollen sie entscheiden? In den Angeboten, die Fotografinnen und Fotografen abliefern, sind nur Kosten aufgeführt. Also vergleichen potenzielle Auftraggeber diese Zahlen. Und entscheiden sich für oder gegen Kosten.

Was ist daran schlecht? Alles eigentlich! Solche Preisvergleiche erzeugen die Tendenz, sich als Spirale abwärts zu bewegen. Das Unternehmen fragt sich ganz automatisch: Warum nicht jemanden beauftragen, der zu einem günstigeren Tarif arbeitet, zum Beispiel nur einen Tagessatz abrechnet, aber keine Nutzungsrechte veranschlagt, von denen ohnehin unklar ist, wozu man die extra bezahlen soll?

Nur Kosten aufzuführen ist schon lange ungeschickt, unter sich verschärfenden Bedingungen fatal. Gerade die Adressaten des Kostenvoranschlags haben von Fotografie kaum Ahnung, wohl aber die neuesten Erkenntnisse des Marketings parat. In deren täglichem Berufsleben geht es um Mehrwert und Nutzen, um Kundenbindung und Innovation und womöglich um neuropsychologische Zielgruppensegmentierung. Sie wären durchaus offen, den Wert der Arbeit zu honorieren statt nur die Kosten zu sehen. Von alleine werden sie es jedoch nicht verstehen.

Es ist die Aufgabe der Fotografinnen und Fotografen mit dem Abgeben eines Angebots oder auch im Gespräch den Wert ihres Tuns sowie ihre Kompetenz zu vermitteln.

Referenzen sind keine Testimonials

Niemand kauft heutzutage etwas, ohne ausführlich Testimonials studiert zu haben. Fotografinnen und Fotografen reichen teilweise unschön aussehende KVs im fünfstelligen Bereich ein, ohne in wenigstens einem Satz zu begründen, warum sie besonders qualifiziert sind, diesen Job auszuführen. Sie verweisen bei potenziellen Neukunden nicht auf Testimonials auf ihrer Website. Geht auch nicht, weil dort bestenfalls eine Liste mit Firmennamen zu finden ist, was heute nun wirklich niemanden mehr interessiert.

Fotografinnen und Fotografen liefern Angebote ab, ohne zuvor über das Unternehmen zu recherchieren, zu telefonieren, nachzufragen, ihre Unterstützung bei der Planung anzubieten. Es ist ihnen nicht bewußt, dass es darum geht, eine Beziehung aufzubauen. Und das erfordert mehr als einen Kostenvoranschlag per E-Mail zu schicken. Mit anderen Worten: Da ist noch viel Luft nach oben.

Man wird das nicht von heute auf morgen optimieren können, dazu ist das Modell Zeit gegen Geld zu verwurzelt. Aber man muss verstehen, in welche mißliche Lage man sich bringt, wenn man denkt: „Das machen alle schon immer so“ – ja, leider. Je schneller Sie arbeiten, desto weniger Geld gibt es. Und wenn der Kunde sagt: „Wo Sie schon mal da sind, können Sie auch noch xy mitfotografieren!“ haben Sie schlechte Karten bei einer vorher vereinbarten Stundenzahl.

Was ist die Lösung?

Das bessere Modell wäre, die Leistung oder angebotene Lösung zu beziffern, wobei der Tagessatz nur eine, möglicherweise interne, Berechnungsgrundlage darstellt. Sobald das Ergebnis bezahlt wird statt der eigenen Anwesenheit mit Kamera beim Kunden, können Sie gegebenenfalls auch mehr oder weniger KI-Tools einsetzen, um dieses Ergebnis zu erreichen. Nur, weil es jetzt sprachgesteuerte Bilderzeugung gibt, heißt ja noch lange nicht, dass es jemand im Unternehmen selbst machen möchte. Oder sich überhaupt vorstellen vermag, wie das Ergebnis aussehen sollte.

Die Anforderungen an Auftrags-Fotografen ändern sich. Statt das zu imitieren, was bisher galt, ist es jetzt wichtig, sich den Veränderungen selbstbewußt zu stellen und nach vorne zu schauen. Das direkte Arbeiten mit und für Unternehmen hat Perspektive. Man sollte nur lernen, sich selbst aus der Sicht möglicher Auftraggeber zu betrachten!

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