Bei mir häufen sich die Anfragen und Resümees von Fotografinnen und Fotografen, in denen von einem „zweiten Standbein“ zu lesen ist. Lassen wir einmal die grundlegende Frage, ob man heute mit der Fotografie alleine nicht mehr ausreichend verdienen kann, außen vor. Ob und wie viel man verdienen kann, hängt von jedem Einzelnen ab und unterscheidet sich zudem erheblich nach dem fotografischen Tätigkeitsbereich. Man kann es daher nur im Einzelfall, aber nicht pauschal beantworten. Hier geht es vielmehr um die Wirkung eines solchen Statements.
Sehen Sie doch einmal nach, ob auch Sie auf Ihrer Webseite oder in einem anderen Text, in dem Sie Ihre Leistungen nennen, von einem „zweiten Standbein“ neben der Fotografie sprechen! Und dann überlegen Sie einen Moment, was Sie damit dem potenziellen Kunden mitteilen. Sie signalisieren, dass Sie mit der Fotografie nicht ausreichend verdienen und sich deshalb auch anderweitig betätigen. Angenommen, Sie suchen einen Installateur, weil es bei Ihnen im Keller bedrohlich aus einer Rohrleitung tropft, und sie lesen dann bei einem, dieser baue sich gerade ein zweites Standbein als Feng Shui-Experte auf. Würden Sie den engagieren? Oder ist nicht der erste Gedanke, dass er in seinem Job nicht so gut sein kann, denn sonst müsste er nicht … Eben!
Bei dem häufig gewählten Ausdruck mit dem Standbein klingt stets das Wackelige mit. Die sprachlich vermittelte Unsicherheit entspricht häufig der Selbstwahrnehmung: Man verdient in einem Bereich nicht so viel wie erhofft und diversifiziert, das heißt, sucht sich weitere Einkommensmöglichkeiten. Aber das Geschäft ist hart. In einem umkämpften Markt wie der Fotografie wird jemand, der sich als Loser outet, nicht engagiert.
Soll man also sein Betätigungsfeld nicht erweitern? Doch, das kann man durchaus. (Jedoch keinesfalls in Richtung: Ich biete alles an, da wird der Kunde schon etwas finden!) Wichtig ist, den Fokus nicht zu verlieren und auch außerfotografische Tätigkeiten wie Schreiben oder Unterrichten als positive Erweiterung des Bisherigen zu betrachten. Da es ja immer Sie sind, sollte alles, was Sie machen, im Idealfall als Teil eines Ganzen erscheinen. Je individueller Ihre Leistung dadurch wird, desto interessanter werden Sie für potenzielle Kunden. Präsentieren Sie das zweite Betätigungsfeld folglich nicht als Krücke, sondern als Facette Ihres Könnens.
Es schadet nämlich nur, die eigene Unsicherheit herauszustellen und beispielsweise zu schreiben: „Baue ich mir gerade ein zweites Standbein als Filmer auf“. Da das Filmen mit der DSLR relativ neu ist, wird niemand erwarten, dass ein Fotograf damit jahrelange Erfahrung hat. Sie können also ruhig sagen oder schreiben, dass Sie „auf der Höhe der medialen Möglichkeiten“ sind. Noch konkreter bieten Sie zum Beispiel „klassische Werbefotografie sowie Steh- und Laufbild für Promotionzwecke“ an. Machen Sie sich nicht durch eine unüberlegte Wortwahl kleiner als Sie sind. Vermeiden Sie jedoch auch Übertreibungen. Der Erfolg kann sich nur einstellen, wenn Sie nach außen signalisieren, dass die potenziellen Kunden Vertrauen in Sie und Ihre Fähigkeiten haben können.