Buchmesse 2015: Steidl war nicht da

Das gab es noch nie: Der Besuch am ersten Messetag musste wegen des Schneechaos in Hessen bei mir leider ausfallen! Auch sonst war vieles anders, was nicht nur am neuen Messekonzept lag. Ein Schwerpunkt für „Self Publisher“ ist definitiv etwas Neues, das dem Trend weg von den klassischen Verlagen hin zu Eigenproduktionen Rechnung trägt. So konnte man erfahren, dass immer mehr Bücher produziert werden, aber der Umsatz insgesamt nicht steigt. Mit anderen Worten: Der Markt ist ziemlich überschwemmt und unübersichtlich geworden. Ob da ein Besuch auf der Messe hilft? Der Wirbel ums E-Book, in den letzten Jahren ein dominantes Messethema, ist jedenfalls vorbei. Nach rasanten Wachstumsraten stagniert nun der E-Book-Markt auf relativ niedrigem Niveau.

1. Kapitel: Die Veranstaltungen nehmen zu

An den Fachbesuchertagen gibt es vermehrt interessante Vorträge, die leider meist zwischen 10 und 13 Uhr stattfinden, so dass man gut planen muss und vieles verpasst, weil es gleichzeitig stattfindet. Traditionell sind die typischen Gespräche mit Autoren am Stand, um die sich mit wachsender Prominenz der Hörerkreis so weit vergrößert, dass in den Hallengängen kein Durchkommen mehr ist.

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Am Stand der FAZ sprach Lorenz Jäger mit Prof. Tilman Allert (links) über seine Buchneuerscheinung „Latte Macchiato – Soziologie der kleinen Dinge“, erschienen bei Fischer .
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Gründer und Geschäftsführer von Tredition, Sönke Schulz, erklärt plausibel, warum Eigenverleger einen Dienstleister wie beispielsweise sein Unternehmen benötigen.

2. Kapitel: Rentabel ist es nicht gerade

Fotobuchverlage findet man in Halle 4.1, außer Steidl, der immer in der Halle 3.1 war und der in diesem Jahr fehlte. Kehrer teilte sich 2015 seinen Stand „mit Freunden“ wie er sagte, Arnoldsche Art Publishers. Die immensen Kosten der Messeteilnahme rechnen sich eben nicht mehr, seit alles, wofür man früher Messen brauchte, heute online abgewickelt wird. Nur der unvermindert enthusiastische Hannes Wanderer von Peperoni Books aus Berlin glänzt mit großer Standpräsenz. Das gönnt er sich – oder vielmehr seinen Büchern, denn in deren Produktion scheint er geradezu aufzugehen.
Apropos sich etwas Gönnen: Einen schicken Eckstand belegte tatsächlich ein Fotograf. Auf meine erstaunte „Was machen Sie hier?“-Frage kamen wir zügig ins Gespräch, bei dem sich rasch bestätigte, dass sich hier jemand einen Traum vom Buch und vor allem vom Fotografieren erfüllt, den er bestimmt schon lange hegt. Stilistisch möchte ich die Fotos (alles analog und mit sichtbarem Korn „veredelt“) in die frühen Neunziger verorten. Das findet sicherlich seinen Markt und beruhigend ist ja, dass der Bildautor davon nicht leben muss. Er hat, wie er und Google nicht verschweigen, eine Zahnarztpraxis in Wiesbaden.

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In der aktuellen Photonews ist ein großes Interview abgedruckt mit dem Peperoni-Verleger und Betreiber der Buchhandlung 25books, Hannes Wanderer.
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Erotische Bildgeschichten erzählt Hans Emrich am liebsten analog – und im schön gedruckten Bildband. Insofern ist er ja auf der Buchmesse richtig.

3. Kapitel: Bilder an der Wand

Auf der Buchmesse gucke ich mir immer die Kalenderausstellung an. Die war erstmals in einem Zwischengang etwas versteckt, aber sehr gut untergebracht. Über die Frage, was sich als Kalender eignet, sprach ich auch mit einigen Verlagen. Klar ist: Der Buchhandel hat nach wie vor ein Remissionsrecht, was ihm erlaubt, nicht verkaufte Kalender an den Verlag zu retournieren. Mithin ist der Kalender im freien Verkauf ein großes Risiko für die Verlage. Es wundert daher nicht, dass man hier optisch auf Bewährtes setzt. Gerade bei den Bildkalendern zu Landschaften werden die Formate immer größer, wie mir scheint. Angeblich haben die Käufer doch alle keinen Platz in ihren Wohnungen!? Grundsätzlich halte ich den Kalender für eine sehr schöne Option, seine Fotografien zu präsentieren. Ein Kalenderprojekt bei einem bekannten Verlag unterzubringen, scheint mir aber nur für sehr konventionelle Themen und Fotografien realistisch.

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Die Kalenderausstellung zeigt einen Querschnitt der gängigen Themen und Bildmotive. Ersetzen großformatige Kalender zunehmend das gerahmte Bild?
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Lustig: Bei den zahlreichen Autokalendern scheint sich außer der Jahreszahl kaum etwas je zu ändern. Die echten Fans interessieren sich eben nicht fürs Bild, sondern für das Model(l).

Schlussbemerkung

Einerseits denke ich, die Buchbranche hat ihren Zenit lange überschritten. Andererseits wirkt das Gesamtbild der Buchmesse ziemlich vertraut. Die Gänge werden jedoch merklich breiter, die amerikanischen Verlage sind erstmals nicht mehr in der angestammten Halle, die vermutlich zu groß wurde für die reduzierte Zahl der Aussteller, die sich den Luxus der Anreise, Hotelpreise und Standmiete leisten mögen oder gar können. Überraschende Buchfunde mache ich ja leider schon lange nicht mehr. Bis auf einen Katalog vielleicht, bei dem mich am Stand des New Yorker Museums of Modern Art das Titelmotiv und das Thema begeisterten. (Die Ausstellung wurde organisiert vom Museum of Fine Arts, Boston, 2015.)
So viel Welt und so viel Buch an einem Platz gibt es eben nur auf der jährlichen Buchmesse in Frankfurt. Bis 2016!

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„Women Photographers from Iran and the Arab World“ Foto von Gohar Dashti (Iran, b. 1980), Untitled #5 from the series Today’s Life and War (detail), 2008. Pigment print. Courtesy of the artist, Azita Bina, and Robert Klein Gallery, Boston. © Gohar Dashti