Martina Mettner: Gerne würde ich mit Ihnen die Erweiterung der Fotografie in Richtung Bewegtbild besprechen. Sie haben diese wunderbare Arbeit über die Cage People in Hongkong veröffentlicht, bei der Sie mittels Ton, Überblendungen und ein wenig Bewegtbild einen sehr lebendigen Eindruck erzielen, obwohl es eigentlich fast nur Stehbilder sind.
Kai Löffelbein: Ich liebe die Kraft der Fotografie. Als Fotograf einer Multimediaproduktion setze ich Bewegtbilder nur dann ein, wenn sie dort meiner Meinung nach Sinn ergeben. Multimediale Geschichten unterscheiden sich in der Aufbereitung und auch im Produktionsprozess von der „reinen“ Fotografie. Multimedia ist ein weiteres Werkzeug, das uns Fotografen an die Hand gegeben wurde, um Geschichten auf eine andere Art erzählen zu können. Durch die Möglichkeit, Interviews zu führen, Texte einzubauen, Statistiken aufzubereiten, Musik und O-Ton zu verwenden, lassen sich Informationen vermitteln, die in Fotos so nicht enthalten sind.
Multimedia bietet mir Raum, mich künstlerisch in mehreren Dimensionen ausleben. Alleine eine gute Multimedia zu machen, ist eine große Herausforderung. Man braucht ganz viel Zeit, denn man kann nicht alles gleichzeitig tun. Als erstes fotografiere ich und mache Videos, wenn ich dies passend finde. Dann führe ich Interviews und nehme alle möglichen Geräusche auf, die ich später eventuell verwenden kann. Allein für die O-Töne bin ich tagelang durch Hongkong gelaufen.
Wie kamen Sie auf das Thema?
Anfang 2012 habe ich einen Fernsehbeitrag über die Cage People gesehen. Vielleicht war das auf Al Jazeera, die senden gute Dokumentationen. Diese unglaublich beengten Wohnverhältnisse fand ich visuell sehr spannend, Metropolen ziehen mich ohnehin an. Diese Menschenmassen, diese klaustrophobische Stimmung. Man sieht diese Käfige nicht, wenn man durch Hongkong läuft, sondern nur riesige Fassaden, und hinter jedem Fenster gibt es so viele Schicksale.
Wie sind Sie an die Leute herangekommen?
Ich habe mit SOCO zusammengearbeitet, einer Hilfsorganisation, die Menschen in schwierigen Wohnsituationen betreut und die mir in Hongkong viele Türen geöffnet hat. Wenn man mit einer NGO zusammenarbeitet, heißt dass aber auch, dass man sich dem Alltag der NGO anpassen muss. Viele Dinge laufen anders ab, als wenn man alleine und dem eigenem Zeitplan verpflichtet arbeitet.
Lassen Sie uns über das Licht sprechen. Das ist bei Ihnen ja oft auch Thema innerhalb des Motivs oder auch speziell bei der Multimediaarbeit, wo flackerndes Kellerlicht oder Neonreklamen über Stehbildern erscheinen. Arbeiten Sie überhaupt mit Kunstlicht?
Nein, ich arbeite nicht mit Kunstlicht, außer wenn ich Porträts fotografiere. Sonst nehme ich das vorhandene Licht. Das macht für mich einen Großteil der Stimmung und des Bildes aus. Die Lichtstimmung kann beim Betrachter Emotionen, die ich übertragen will, auslösen.
Man sieht, dass Sie sensibel mit optischen Phänomenen wie Licht, Dunkel, Rauch umgehen.
Das ist für mich auch extrem wichtig. Bei allem journalistischen Inhalt geht es ja immer um Bilder; meine sollen auch Schönheit und Poesie besitzen, Emotionen transportieren, ohne plakativ zu sein. Ob mir das immer gelingt, weiß ich nicht.
Gibt es zum Schluss noch einen Tipp, den Sie weitergeben können?
Ich mag gut vorbereitete, gut durchdachte, intelligente Projekte. Es ist essenziell wichtig, sorgfältig zu recherchieren, bevor man irgendwohin fliegt. Trotzdem sollte man auch nicht ewig überlegen: Was gab es schon und was nicht? Hat nicht Fotograf XY so etwas Ähnliches gemacht? Wer könnte meine Geschichte kaufen? Ich finde: Einfach mal anfangen.
Kai Löffelbein, Jahrgang 1981, studierte zunächst in Berlin Politikwissenschaft und später Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der FH Hannover. Seit 2007 arbeitet er als freier Fotograf für Magazine. Ein Bildband über sein großes Thema Elektroschrott ist seit längerer Zeit bei Steidl angekündigt.