Die Arbeiten von 17 Fotografinnen und Fotografen habe ich gesehen und mich bemüht, ihnen in den 20 Minuten, die zur Verfügung standen, etwas zu sagen, das ihnen weiterhilft. Eine große Freude ist es, Arbeiten kennenzulernen, die auf den ersten Blick sperrig daherkommen, aber eine sehr eigene Wirkung entfalten. Das Buch als Präsentationsform wird dabei gut genutzt und dient auch zur Konzentration des Betrachters auf das bearbeitete Thema. Hier sind naturgemäß die Fotostudenten im Vorteil, die sich besonders für ihre Abschlussarbeit auf ein Thema und dessen Präsentation konzentrieren.
Besonders beeindruckt hat mich die Arbeit von Michael Englert über Patienten in der Psychiatrie, das Buch von Sandra Hamm (ohne Website) über Epilepsie „Gewitter im Kopf“ und Anne Sophie Stolz, die in „Chuckoo Clock and Cherry Cake“ ihrer Herkunft aus dem Schwarzwald nachspürt.
Die vor Fantasie überbordende Beba Franziska Lindhorst realisierte ein Buchprojekt, das durchaus in einem kommerziell denkenden Verlag seinen Platz finden könnte: „Verkehrt inszenierte Porträts (VIPs)„. Sie hat es tatsächlich geschafft, sich von Promis ablichten und jeweils anders inszenieren zu lassen. Hut ab vor der logistischen Leistung und dem unbedingten Willen, das zu realisieren. Ich erwähne nur die Kooperation von Peter Lindbergh, Roger Willemsen, Anke Engelke. Und bei Hundetrainer Martin Rütter liegt sie brav im Körbchen.
Philip Lisowski war der einzige, der auf dem iPad präsentierte. Das Besondere daran war der selbst aus Karton gebastelte Aufsteller mit Bändchen, der eine perfekte Einheit bildete mit einem Motiv aus der Serie über die heutige Nutzung von Bunkern.
Ohne Soth nichts los?
Gute zehn Jahre nachdem Alec Soth „Sleeping by the Mississippi“ fotografierte, scheint das jetzt zur Blaupause für hiesige Studenten geworden zu sein. Schöner wäre natürlich, sie würden etwas Eigenes machen, statt sich bloß inspirieren zu lassen von einem Projekt, das in den USA sehr gut, aber gar nicht bei uns funktioniert. Hier an den Grenzen entlang zu fotografieren (ich sah drei ziemlich ähnliche Arbeiten!) erzeugt schnell eine optische Beliebigkeit aus verwildertem Grün und Plattenbauten mit Satellitenschüsseln. Da wird viel Energie und Zeit in etwas investiert, das hinterher niemanden interessiert. Während sich in der USA die Menschen mit ihrer Region identifizieren und sich gerade den Mississippi entlang Geschichte und Geschichten ins nationale Bewußtsein gegraben haben, die ja auch die Lücken zwischen den Fotos von Soth auffüllen, passiert hier nichts dergleichen. Heimat ist irgendwie bäh.
Wer sich denn damit befaßt, bleibt allzuoft im Anekdotischen hängen. Das war der Punkt, an dem der ästhetisch-inhaltliche Graben zwischen den anwesenden Amateuren und den Fotostudierten plötzlich ganz schmal wurde. Hier wie dort konnte man Arbeiten betrachten, in denen der Fotografierende die geschmacklichen Auswüchse seiner Mitmenschen ablichtete: dekorierte Abfalltonnen, Gartenzwerge und andere Elemente der Vergemütlichung. Das sticht halt ins Auge, ohne dass man sich groß mühen müsste. Sich fotografierend über die „Spießigkeit“ von anderen zu mokieren, halte ich generell für keine besonders reife oder professionelle Vorgehensweise. Was soll es dem Betrachter denn sagen? Wer soll sich das angucken oder gar an die Wand hängen?
Die Schwierigkeiten der meisten Fotografierenden liegen nicht im Können, sondern im Verstehen. Es dauert lange, bis man einigermaßen die beglückende Wirkung der ernsthaften und kontinuierlichen Arbeit am Gegenstand realisiert hat. Jenseits aller ästhetischen oder präsentationstechnischen Vorlieben des Reviewers vermittelt sich demjenigen, der berufsmäßig Fotografien anschaut, immer die investierte Energie und die wirklich empfundene Empathie.
der letzte absatz trifft den nagel auf den kopf