State of the Art Photography in Düsseldorf

Alex Prager: Barbara, aus der Serie „Week-End“ (2009) Courtesy of the Artist and Yancey Richardson Gallery

Die Ausstellung und der gleichnamige Bildband „State of the Art Photography“ zeigen einen eigenartigen Querschnitt der aktuellen Fotografie. Dieser hängt vom 4. Februar bis 6. Mai 2012 im NRW-Forum in Düsseldorf.
»Die Zukunft liegt nicht in der reinen Fotografie, sondern in der freien Kunst.« postuliert Andreas Gursky, Teilnehmer am Advisory Board der Ausstellung »State of the Art Photography«. Das NRW-Forum Düsseldorf fragte ihn sowie Thomas Seelig, Andréa Holzherr, F.C. Gundlach, Thomas Weski, Udo Kittelmann und Werner Lippert nach den Fotografen, die die Diskussion der kommenden Jahre bestimmen werden. In dieser Übersichtsausstellung werden 41 Künstler vorgestellt, die vor allem deshalb eine gute Chance haben, Karriere zu machen, weil sich eine der genannten Personen für sie einsetzt. Einige von ihnen sind aber in der Fotografie ohnehin schon bekannt, wie beispielsweise Olaf Otto Becker, Pepa Hristova, Mischa Kuball, Maziar Morandi, Andreas Mühe und  Alex Prager, deren hollywoodeske Knaller immer für optische Highlights sorgen.

Olaf Otto Becker: River 1 07/2007, aus der Serie „Above Zero“ (2009)
Alex Grein: Terra V (2010)

Bei den jungen Talenten schwankt das Ganze zwischen dem, was thematisch aussieht wie Erstsemesterarbeiten (gefaltete, grafische Flächen gleich bei mehreren) und wirklich spannenden neuen Ansätzen. Für mich eine Entdeckung ist Alex Grein, 1983 in Köln geboren, die seit 2010 bei Andreas Gursky studiert. Sie arbeitet an dem Thema Landschaft, indem sie Google Earth-Bilder zu Felsbrocken oder Eisschollen collagiert. Im Pressetext wird für sie gleich wieder Caspar David Friedrich herbeizitiert, was von Alex Greins eigener Leistung ablenkt, sie auf einen romantischen Blick und ein Kunstklischee nivelliert. Ihr Ansatz ist intelligent und, so weit man das aus den Katalogfotos beurteilen kann, interessant umgesetzt. Bei ihr bin ich wirklich gespannt, was als nächstes kommt.

Pinar Yolaçan: aus der Serie „Like a Stone“ (2011) © Pinar Yolaçan

Pinar Yolacan, 1981 in Ankara, Türkei, geboren, lebt in New York. Sie zeigt nackte fette Frauen als Körperlandschaft. Ihre Arbeiten sind sehr skulptural, plakativ farbig und berühren ein echtes Tabu. Sehr ästhetisch, vor allem, wenn man sie mit den Arbeiten von Asger Carlsen (1973 in Dänemark geboren, lebt in N.Y.) vergleicht. Seine Fleischskulpturen sind doch sehr nah am Napalm-Opfer. Martin Denker (*1976), ehemals Meisterschüler von Thomas Ruff, ist mit Arbeiten vertreten, die mit klassischer Fotografie rein gar nichts zu tun haben, wohl aber zeigen, was in der künstlerischen Anwendung von CGI möglich ist. Das sieht aus wie Anime im LSD-Rausch. Oder, wie es im Katalog heißt, „eine schier unendliche Kaskade von Informationsquanten sich überlagernder Spannungsfelder aus Natur, Kultur, Technologie und Virtualität.“ Auf jeden Fall ist es im Unterschied zu vielen Beiträgen eines nicht, nämlich un-fucking-fassbar langweilig.

Martin Denker: „Infinitejest (Icancer)!“ (2011)

Leider steht nicht dabei, welcher Kurator Harry Gruyaert in die Ausstellung gebracht hat. Der 1941 in Belgien geborene Magnum-Fotograf zeigt TV-Shots aus den Siebzigern. Auch der Düsseldorfer Ulrich Hensel (*1946) gehört mit sehr auf die Malerei schielenden Aufnahmen von Wänden zu den Senioren in der Schau, „die sich an ein Publikum richtet, das heute schon wissen möchte, was morgen in der Kunst- und Fotoszene angesagt sein wird“. Innovativ zu arbeiten ist keine Altersfrage. (Der gerade mit dem Spectrum-Fotopreis geehrte Boris Mikhailov ist Jahrgang 1938 und seine Arbeiten wirken kein bisschen angegraut.) Gerade bei den alten Meistern hätte man sich mutigere und keine vierzig Jahre alten Exponate gewünscht.

Ulrich Hensel: „Düsseldorf Holzstrasse I“ (2004)

Es ist toll, dass das NRW-Forum diese Schau organisiert hat, auch wenn die Fotografie hinter das Kunstmarkttaugliche zurücktritt. Niemand ist ja gezwungen, alles gut zu finden, nur weil es an musealen Wänden hängt. Man sollte das immer als Anregung benutzen, seine eigene Position zu definieren.
Parallel zur Ausstellung erscheint der Bildband State of the Art Photography im Verlag Feymedia. Er stellt die 41 internationalen Künstler auf jeweils 6 Seiten vor, mit Bio- und Bibliografien und Abbildungen ihrer Arbeiten. Das rund 264 Seiten starke Buch ist eine unabhängige, zweisprachige Hardcover Publikation (35 Euro).

State of the Art Photography, NRW-Forum Düsseldorf, 4. Februar bis 22. Mai 2012
Über weitere Ausstellungen zum Photo-Weekend in Düsseldorf berichtet die FAZ.