Unseen in Amsterdam gesehen

Unseen_aussen
Foto von Salvi Danes in der Reihe mit FOAM-Talents. Ein Teil der Westergasfabriek im Hintergrund.

Zum zweiten Mal fand in der vergangenen Woche die Fotomesse „mit Festivalflair“ namens Unseen in Amsterdam statt. Der Messeteil in der Rotunde der Westergasfabriek kostete 19,50 Eintritt, der Besuch des Festival-Areals, zu dem auch der Unseen Buchmarkt gehörte, war kostenlos. 24.000 Besucher wurden gezählt. Am Pressetag war es noch diesig, aber während der Veranstaltung herrschte eitel Sonnenschein. Vor allem bei den Galeristen, die dem Vernehmen nach sehr gute Verkäufe tätigten.

Unseen von oben
Bei der Unseen ging es rund. Jede Galerie hatte etwa ein halbes Tortenstück, um Werke zu zeigen.

Die Idee der Messe, junge, unbekannte Fotografen vorzustellen oder zumindest bisher nicht gezeigte Werke von schon etwas etablierteren Künstlern, kam gut an. Für meinen Geschmack war es insgesamt zu viel Kunstwollen und zu wenig Fotografie.

Cloud, 2013 © Daisuke Yokota/G/P Gallery
Cloud, 2013 © Daisuke Yokota/G/P Gallery

Daisuke Yokota (1983, Saitana, Japan) is the first recipient of The Outset |Unseen Exhibition Fund, the new institutional platform for emerging talent in contemporary photography. A chosen international curatorial committee was asked to select one artist represented at Unseen Photo Fair who has not yet had a solo exhibition in The Netherlands to exhibit his/her work in the 3H solo exhibition room at Foam from February to March next year.

Und gerade weil alles in diese Richtung geht, direkt für den Kunstmarkt zu produzieren, fielen dann die wenigen schlicht dokumentarisch abbildenden „Positionen“ umso mehr auf: Edgar Martins‘ ganz  neue Arbeiten „The Rehearsal of Space & the Poetic Impossibility to Manage the Infinite“ fand ich beeindruckend. Edgar Martins (Jahrgang 1977, Portugiese, aufgewachsen in Macau, und seit 1996 in Großbritannien lebend) bekam Zugang zur European Space Agency und zu geheimen Orten in verschiedenen Ländern. In Amsterdam wurde eine Preview zur Ausstellung gezeigt, die 2014 in London bei The Wrapping Project Bankside stattfinden wird.

Stilistisch in eine ähnliche Richtung geht das wunderbare Projekt von Henk Wildschut über die industrielle Herstellung von Nahrungsmitteln. Sehr kluge Motiv-Auswahl, sehr reduziert fotografiert, zugleich ästhetisch, informativ und auch beängstigend, wenn man über das Gezeigte nachdenkt. Die Arbeiten waren nicht auf der Unseen, sondern sind im Rijksmuseum in einer Einzelausstellung bis 5. Januar 2014 zu sehen. Auch das Buch zur Ausstellung „Food“ ist unbedingt lohnend.

Überhaupt hat Amsterdam ja nicht nur das endlich wieder eröffnete Rijksmuseum, sondern auch gleich zwei Fotografie-Museen zu bieten. Huis Marseille, das ältere von beiden, wird seit 14 Jahren von Els Barents geleitet, die ihrer Kuratorin („hoofdconservator“) Nanda van den Berg freie Hand ließ, zur Eröffnung des um ein zweites Grachtenhaus erweiterten Museums die Ausstellung „The Rediscovery of the World“ zusammenzustellen. Selbst mit den kontextuierenden Erläuterungen der Chefkuratorin bei einer eigens für Unseen-VIPs veranstalteten Führung, blieb doch vieles unverständlich und wirkte austauschbar. Simon van Til’s „Mond“ – ein weißer Kreis auf dunklem Grund – oder „Nacht“ – ein monchrom blauer Print – fand ich ebenso wenig überzeugend wie die abfotografierten Lidschatten von Scheltens & Abbenes, an denen die fließende Farbe gelobt wurde. Kennt man ähnlich aus Magazinen. Auch Hellen van Meenes neue Arbeit ist eigentlich eine Modestrecke, die sie für das „Tank Magazine“ in Irland fotografierte. Interessant, aber doch auch offensichtlich „editorial“.

Huis Marseille
Huis Marseille: Chefkuratorin Nanda van den Berg im Raum mit den Arbeiten von Hellen van Meene.

FOAM ist das ebenfalls an der Keizersgracht gelegene, zweite Fotomuseum in Amsterdam. Es gibt im kleinen Holland sogar noch zwei weitere solcher Institutionen – beneidenswert! Auch diese Räumlichkeiten sind sehr ansprechend gestaltet, es gibt zudem ein Café, in dem man auftanken kann. Der Begriff liegt nahe, wenn man aus der „America by Car“-Ausstellung von Lee Friedlander kommt. Unmengen quadratischer Schwarzweiß-Fotos mit Blicken aus dem Mietwagen auf die amerikanische Landschaft oder deren werbliche Auswüchse vermitteln das Gefühl, man habe Kilometer zurückgelegt. Im Grunde ist das toll, was Friedlander gemacht hat, die Landschaft wächst quasi aus dem Armaturenbrett oder Seitenfenster, aber man hat es relativ rasch begriffen und dann wiederholt es sich noch dutzende Male.

Cristina De Middel „The Afronauts“ läuft ebenfalls noch bis zum 11.12.2013 und ist den Besuch wert. Vor allem, wenn man einmal ein Fotoprojekt sehen möchte, das die Autorin weltweit bekannt machte. Die Reportagefotografin aus Spanien wollte einmal etwas wirklich Eigenes entwickeln und verwendete dazu die reale Geschichte, dass 1964 in Sambia die Rede davon war, Afrikaner ins All zu senden. De Middel konstruierte nun um Zeitungsausrisse und Briefe eine fiktive Geschichte. „The Afronauts“ kam als Buch gleich auf die Fotobuchbestenliste und De Middel wurde 2013 für den Deutsche Börse Photography Prize nominiert.

Zum Schluss zurück auf die Unseen in der Westergasfabriek und noch ein Blick in die Halle mit den Bücherständen:

Unseen Buchmarkt
Tot ziens, Amsterdam!