Auftragsakquise — Wie Fotografen sich hochtelefonieren

Die größte Unbekannte für junge Fotografen beim Start ins eigene Business ist die Auftragsakquise in Unternehmen. Aus der Schweiz erhielt ich dazu heute folgende Frage:

Ich komme aus der Werbefotografie, habe bereits ausgelernt, und stehe nun in den Startlöchern. Was ich derzeit am schwierigsten finde, ist ein gezielte und ergebnisorientierte Kundenakquise. Es wird oftmals ein Geheimnis daraus gemacht, wer in einem Unternehmen für die Werbung und dort dann für den Kontakt zum Fotografen zuständig ist. Dies bedeutet für mich, dass ich oft nicht die Ansprechpartner in den Unternehmen finde und so die Chance für einen Auftrag schwindet.

Grundsätzlich vorauszuschicken ist, dass vor der Akquise die Vorbereitung steht. Die Frage, in welchem Bereich der Fotografie man sich zuständig fühlt, sollte man sich selbst beantworten können. Beim Frager ist das recht einfach, er sagt, er sei Werbefotograf. Wie ich auf Nachfrage erfuhr, arbeitet er noch an seiner Webseite, mit anderen Worten, sie ist nicht online. Und vermutlich hat er kein PDF, das er bei Interesse zusenden kann. Business Error 101 ist in diesem Fall, endlos an seiner Seite zu basteln, auf der dann Fantastrillionen Fotos sind, die kein professioneller Betrachter je angucken will und wird. Dass Fotografen ihre Webseiten immer für andere Fotografen machen, statt sie für sich arbeiten zu lassen, ist ein so ergiebiges Thema, dass es im Mittelpunkt meines nächsten Buches über das Selbstmarketing für Fotografen stehen wird. Eine knappe Lösung des Themas ist die Visitenkarte im Web. Wenn auf der reservierten Domain lediglich „Baustelle“ steht, ist das extrem peinlich. Nur eine Seite mit zwei Fotos und der Adresse zu präsentieren, führt immerhin dazu, gefunden zu werden, und kann durchaus auch signalisieren, dass man zu gut im Geschäft ist, um sich um die Internetpräsenz zu kümmern. Ein Beispiel ist der Werbefotograf Dirk Egelkamp, der seinen Webauftritt überarbeitet und sich derweil so präsentiert. Merke: Besser zwei, drei Fotos, die klar erkennen lassen, was der Fotograf anzubieten hat, als eine Vielzahl von Galerien und Themen, die dem Betrachter entgegenrufen: „Ach, such du dir doch aus, was dich interessiert! Ich finde alles super, was ich mache, auch die fünfte Variante eines Motivs.“ Der potenzielle Kunde muss möglichst auf einen Blick sehen und verstehen, was der Fotograf zu bieten hat.

Wie erreicht man nun den richtigen Ansprechpartner? Der Weg der Wahl ist: erst Recherchieren, dann Telefonieren. Obiger Frager findet, es würde ein Geheimnis aus der Zuständigkeit  gemacht. Das wage ich zu bezweifeln. Zum einen weiß es derjenige am Telefon oft wirklich nicht, und versucht, aus der Nummer irgendwie rauszukommen.  Zum anderen tendiert der Fotograf womöglich dazu, nur sein eigenes Interesse im Auge zu haben, und nicht im Sinne des Unternehmens zu denken. Im Sinne des Unternehmens ist der Fotograf nur ein Dienstleister, den man meist kurzfristig braucht, über den man sich aber keine großen Gedanken im Sinne strategischer Planung oder Zuständigkeitszuweisung macht, zumal es potenziell einen Pool an Fotografen gibt, mit denen man arbeitet. Überhaupt in einem Unternehmen danach zu fragen, wer für den Kontakt zu Fotografen zuständig ist, kommt mir prinzipiell nicht zielführend vor. Mein Vorschlag ist, nach dem Leiter beziehungsweise der Leiterin jener Abteilung auf der Homepage des Unternehmens zu suchen, für die man arbeiten möchte. Wenn man Business-Fotografie machen möchte, wendet man sich an die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Wenn man Werbefotograf ist, an die Werbeabteilung. In mittelständischen Unternehmen hilft im Zweifel immer ein Anruf im Vorzimmer des Unternehmers. Die Damen dort sind meist die einzigen, die den kompletten Überblick über die Zuständigkeiten haben. Das ist zumindest meine Erfahrung. Aber auch dort bitte nicht nach dem Zuständigen für Fotografen fragen, sondern, ob es jemanden gibt, der für die Öffentlichkeitsarbeit, alternativ: Werbung verantwortlich sei, und wann er/sie am besten zu erreichen sei. Wenn Sie die Auskunft erhalten, für die Öffentlichkeitsarbeit sei der Chef selbst zuständig, können Sie die Sache knicken. Das kostet Nerven und bringt meist nichts.

Hat man nach vielen Versuchen endlich Frau Müller oder Herrn Schmitt am Telefon, oder wenigstens deren persönlichen Assistenten, sagt man seinen Präsentationssatz, in Coachingkreisen auch bekannt unter dem Namen „Elevator-Pitch“ (die harmlose Variante):  „Ich bin Business-Fotograf, spezialisiert auf die Illustration von Jahresberichten. Wie ich auf Ihrer Webseite gesehen habe, realisieren Sie die Inhouse, deshalb würde ich Ihnen gerne einmal meine Arbeit vorstellen. Wäre das in der kommenden Woche möglich?“

Damit haben Sie kurz und knapp signalisiert, was Sie anbieten, dass Sie sich mit dem Unternehmen bereits vertraut gemacht haben und stellen eine konkrete Frage, auf die Sie zumindest eine halbkonkrete Antwort erwarten dürfen. Die konkrete Antwort kann natürlich lauten: „Die machen wir immer mit Bernd Blende, schon seit zwanzig Jahren.“ Daraufhin heucheln Sie Verständnis für die super Arbeit von Bernd Blende. Wehe, Sie sagen jetzt: „Ich bin aber echt sexy und viel billiger.“ Nein, auf die Preisspirale lassen Sie sich nicht ein. Sie fragen, wem Sie denn ihre Karte (Sie sagen Karte, meinen aber: Postkarte mit Motiv und ihrem Namen auf der Fotoseite) zusenden dürfen. Früher oder später bekommt Bernd Blende einen Infarkt und dann klebt Ihre Werbekarte bei der Praktikantin am Bildschirm, weil so ein herziges Motiv drauf ist.