Beth Yarnelle Edwards: Suburban Dreams

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Bildband mit 56 Farbabbildungen erschienen im Kehrer Verlag 2011, mit englischen Texten von Robert Evren, Christoph Tannert und der Fotografin, 30 Euro.

Als deutscher Fotograf würde man sonst was dafür geben, bei einem amerikanischen Verlag veröffentlicht zu werden. Für amerikanische Fotografen hat es derweil mehr Prestige, bei einem deutschen Verlag zu erscheinen – so lange das Buch in englischer Sprache gedruckt wird. Natürlich geht das auf ganz profane wirtschaftliche Gründe und die drastische Konzentration im amerikanischen Verlagswesen zurück. Das Drucken ist in Europa günstiger. Trotzdem: Bei der immer noch kleinen Käuferschicht von Fotobüchern in deutschsprachigen Ländern lohnt sich das Verlegen hier nur, wenn man auch in die USA und weltweit verkaufen kann. Beth Yarnelle Edwards traf auf den Kehrer Verlag beim Fotofest in Houston. Sie denkt, dass ihre Arbeit ohnehin besser von Europäern verstanden wird als von ihren eigenen Landsleuten.
„That must be a reason why so much of my career has taken place in Europe. I’d never intended to venture beyond Silicon Valley for my photography, but once I started to exhibit in Europe, invitations came to make new images“, erläutert sie mir per Email. Sie glaubt, dass selbst die gebildeten Amerikaner sich ihrer eigenen Kultur nicht bewußt sind: „American culture can be so dominant that it becomes invisible to the participants.“ Die zum Fotografieren notwendige distanzierte Sicht auf die eigene Kultur bekam die Fotografin durch einen zwei Jahre währenden Aufenthalt in Mexiko, wo sie in einer mexikanischen Familie lebte und an einer dortigen Hochschule studierte. Das hat sie und ihre Sicht, wie sie schreibt, für immer verändert.
„Suburban Dreams“ ist ein wunderbarer Bildband, eine Inspirations- und Diskussionsquelle. Edwards balanciert geschickt auf der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Inszenierung, zwischen Porträt und Sittengemälde. Explizit beruft sie sich auf August Sander, was die Typologisierung der Lebenswelt angeht. Wie Sander fotografiert sie, ohne moralische Urteile zu fällen. Sie ist neugierig, stellt aber nie bloß. Und sie schafft es, mit ihren Protagonisen Verabredungen zu treffen, die auf eine intensive Zusammen- und Überzeugungsarbeit hinweisen. Zum Einsatz kommt übrigens keine Großformatkamera, wie ich vermutete, sondern eine Mamiya 7. Die meisten Fotos im Buch entstanden analog, nur drei sind bereits digital aufgenommen.
In diesem Jahr hat Beth Yarnelle Edwards in Berlin fotografiert und man darf gespannt sein, wie typisch deutsch das sein wird.

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Das Haupt- und 1 Nebenwerk von Beth Yarnelle Edwards, Teil II

Das Haupt- zum von mir erworbenen Nebenwerk war im Bildband schnell entdeckt, es ist dort schon auf Seite 15 – eines der ersten Fotos im Buch. Die Fotografin hat mir freundlicherweise die Daten geschickt, so dass ich es hier zusätzlich zu den freigegebenen Pressefotos zeigen kann:

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Farblich erkennt man sofort die Parallele: Ein Haushalt, in dem das Sesselkissen zum kubistischen Gemälde passt. Katherine ist zwar auch Namensgeberin dieser Arbeit, erscheint aber nur als Figurine, nicht mehr als Person, wie in dem Nebenwerk. Dass sie hier die Haltung der „Biellmann-Pirouette“ zeigt, legt die Vermutung nahe, sie sei eine Eislaufprinzessin. Das würde auch die Knieblessuren erklären. Das Podest wiederum lässt an eine Spieluhr denken und man würde daher wirklich gerne sehen, ob sich Katherine dreht …
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Die Vorstellung beider Motive ist eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen man sich als Betrachter die stilistischen Unterschiede und Entscheidungen der Fotografin vergegenwärtigen kann. Betrachtet man „Suburban Dreams“ ist klar, warum das Motiv von Katherine auf dem Bett nicht ins Gesamtbild passt. Aber das schmälert nicht die Qualität des Fotos für sich alleine genommen.

Ob Innensicht, Raumstaffelung oder Licht – man kann viel von Beth Yarnelle Edwards‘ Fotoarbeiten lernen. Der Bildband „Suburban Dreams“ aus dem Kehrer Verlag ist definitiv ein Must-have für jeden an der zeitgenössischen Fotografie Interessierten.