Um es gleich zu sagen: Sihanoukville ist keine Reise wert, allenfalls für Partypeople am Strand oder Wohlhabende in einer Luxusenklave wie dem Independent Hotel, in dem schon Jackie Kennedy logierte. Luxuriös mit gläsernem Aufzug runter zum Beach mit Blick auf die vorgelagerten Inseln. Optisch irritierend ist, wenn in der Lobby ein Mann mit Wampe und offenem Hemd herumläuft, wie die Parodie auf den typischen Touri. Von unseren finnisch-österreichischen Begleitern sachkundig gleich als Finne verdächtigt, von denen sich neben Russen viele im Hotel aufhalten. Auf dem alten, wunderbar geschwungenen Pool des Hotels, der auch zur goldenen Zeit in den Sechzigern gebaut wurde, teilen sich vier Gänse zwei Junge. Es gab Zeiten, da diente der Pool, oben mit Bambusstangen gesichert, als Gefängnis.

Der alte Pool des Idependent Hotel in Sihanoukville
Der alte Pool des Idependent Hotel in Sihanoukville.

Unsere Unterkunft ist deutlich weniger feudal, hat dafür aber auch keine historische Belastung. In der Don Bosco Hotel School bekommen Jugendliche eine Ausbildung, darunter viele Waisen, die sonst keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten oder in den Textilfabriken arbeiten müssten. Die Textilarbeiterinnen werden am späteren Nachmittag wie Vieh auf Wagen und in überfüllte Busse geladen. Apropos Vieh: Hinter dem stillgelegten modernistischen Bahnhofsgebäude in Sihanoukville wurde eine Kuh sediert, zusammengebunden und auf eine Karre gehievt, die von einem Moped gezogen wurde, wobei der Fahrer die Karre, auf die noch zwei Männer stiegen, nur mit seinem Po festhielt. Eine ebenso gewagte wie abenteuerliche Aktion, bei der man kaum hinsehen konnte. Als ich gar nicht mehr fotografieren wollte, wie die arme Kuh in dem Wagen lag, wurde ich geradezu von einem der Beteiligten gedrängt. Die Kuh wurde übrigens verkauft, nicht geschlachtet. Ob sie lebend beim neuen Besitzer ankam, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Der Bahnhof von Sihanoukville, der nicht mehr in Betrieb ist
Der Bahnhof von Sihanoukville, der nicht mehr in Betrieb ist.
Hinter dem Bahnhof wird gerade eine Kuh verkauft. Das hätte ich nie erlebt, wenn wir nicht auf den Spuren des Architekten dort gewesen wären.
Hinter dem Bahnhof wird gerade eine Kuh verkauft. Das hätte ich nie erlebt, wenn wir nicht auf den Spuren der modernen Khmer-Architektur dort gewesen wären.
Die arme kleine Kuh in der Karre.
Die arme kleine Kuh in der Karre.

Otres Beach, der als der ruhige in Sihanoukville gilt, besteht aus drei Teilen: Otres I, dann einem derzeit noch unbebauten Teil, und Otres II, der schon ziemlich weit von der Stadt entfernt ist. Zum unbebauten Teil mit schattenspendenden Kasuarinen läuft man 20 bis 30 Minuten an Liegen vor zum Teil ziemlich versifft aussehenden Hippiebuden entlang, in denen die Aussteiger von damals, die eine “Bungalowanlage” betreiben (“Free WiFi, Good Vibes”) ihre alten Kassetten aufbrauchen; nur dass sie diese inzwischen digitalisiert haben und die Musik über ein Macbook gesteuert wird.

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Otres I hält Stoff bereit. Hier: Bücher.
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Schön leer und das Wasser 28 Grad warm. Ersteres aber sicher nicht mehr lange.
Linsk ein Tuk-Tuk, rechts eine Kuh und vorne Tafeln, auf denen der Bau von drei Wohntürmen angekündigt wird.
Links ein Tuk-Tuk, rechts eine Kuh und mittig Tafeln, auf denen der Bau von drei Wohntürmen angekündigt wird.

So schön wie es am Strand ist, an dem wir heute für einige Stunden Urlaub gemacht haben, so schrecklich ist der Ort. Wären hier nicht die sehenswerten Gebäude von Vann Molyvann, würde man Sihanoukville sicher besser meiden. Nachdem mehrere Emails im Vorfeld unbeantwortet blieben, hat es Keintzel tatsächlich geschafft, sich, seine Fachkamera und uns in die lokale Brauerei zu bringen. Und das auch noch in zu kurzen Hosen, obwohl das Betreten in denselben nicht gestattet ist. Da ich gerne in Fabriken bin, fand ich das ganz schön. Weil Kamerakunst vom Stativ Muße verlangt, machten wir stativbefreite Kleinbildfotografen es uns nach einer Weile in der Kantine bequem, während Keintzel wie im Rausch Vann-Molyvann-Relikte belichtete.

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Hier wird unter anderem das gute Angkor Bier gebraut – die Anlage gehört inzwischen zum Carlsberg Konzern. Wasserbecken gibt es nicht nur in Angkor Wat, sondern vielfach in der Architektur von Vann Molyvann.
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Kambodschanische Kantine nach der Mittagspause, winddurchweht.

Sehr lange waren wir auch in der Saint Michaels Church, ein ungeheuer beeindruckendes kleines Kirchenschiff von Prof. Vann (siehe Artikelbild). Ich habe ein Porträt unseres Tuk-Tuk-Fahrers gemacht, der sich zum ersten Mal in seinem Leben auf einem Display sah. Handys sind hier zwar sehr verbreitet, aber nicht unbedingt Smartphones. Überall sieht man Funkmasten die Hütten der Einheimischen überragen. Das ist schon ein seltsamer Kontrast zwischen dem Kochen auf offenem Feuer und fehlendem Wasseranschluss bei gleichzeitigem Abschluss eines Handyvertrags.

Sehr modern: Am Flughafen Sihanoukville wird das Personal auch schon durch Pappaufsteller ersetzt.
Sehr modern: Am Flughafen Sihanoukville wird das Personal auch schon durch Pappaufsteller ersetzt.

Der Beitrag basiert auf meinem Reisetagebuch von Anfang Januar 2015.