Um den niederländischen Fotografen Erwin Olaf herrscht derzeit ein ziemlicher Hype. Wie schafft es ein Fotograf, so bekannt zu werden, und wie lange dauert es? Um das herauszufinden, muss man nur einen Vortrag von Erwin Olaf besuchen. In Darmstadt bestand im Rahmen der Darmstädter Tage der Fotografie die Gelegenheit, von ihm persönlich etwas über den Verlauf seiner Karriere zu erfahren. Abends war Erwin Olaf zudem im Fotografie Forum international in Frankfurt zu Gast.
Die Arbeiten von Erwin Olaf sind ja teilweise sehr speziell, aber er selbst kommt unkompliziert rüber. Dass er als junger Fotograf auf der Straße angesprochen wurde, ob er nicht ein Buch machen wolle, erzählt er. Und dass ihm das noch ein weiteres Mal passiert sei, und er das schon für normal hielt. Eine kuriose Anekdote ist, dass der potenzielle Verleger von 32 Bild-Seiten sprach, er dann etwas über Schach sah, und so auf die Idee zu seiner ersten großen Serie „Chessmen“ kam. Die war noch stark unter dem Einfluss von Joel Peter Witkin (die älteren unter uns erinnern sich, die jüngeren gucken mal hier). Der Fotograf Paul Blanka riet ihm damals, er solle nicht auch noch, wie Witkin, die Negative zerkratzen. Robert Mapplethorpe war ein (sehr) anderes Vorbild, dem Erwin Olaf ebenfalls folgte. Nicht nur wegen des quadratischen Formates, auch wegen der Sujets erinnern besonders die frühen Olaf-Arbeiten an den berühmten amerikanischen Fotografen.
Bekannt wurde Olaf durch eine Eigenwerbung, die er an Artdirektoren und andere potenzielle Auftraggeber versandte. Ein absolutes Musterbeispiel, wie man es richtig macht: Die Aussendung soll in Erinnerung bleiben und dieses Motiv bleibt in Erinnerung, kein Zweifel.
Er zeigte „Joy, 1985″auch als erstes Beispiel für den perfekten Moment innerhalb einer konstruierten Situation, dem kleinen Rest an nur schwer zu kontrollierender Realität, die dem Fotografen zuspielt: Der Blick des Models macht es erst perfekt.
Seitdem hat Olaf, wie es in der Biografie auf seiner Webseite so schön heißt, „continued to explore issues of gender, sensuality, humor, despair and grace in each successive series.“ (Dort kann man alle wichtigen Fotos ansehen.)
Und vor allem bekam er ziemlich viele Aufträge aus der Modebranche und Werbung. Interessant ist das vor allem, weil Erwin Olaf sich eben nicht wie der „normale“ Fotograf von einem Auftrag zum nächsten gekämpft hat, sondern freie Arbeiten entwickelte, und auf diese hin dann Werbeaufträge bekam, bei denen er nur leicht modifizieren musste. Der Vorteil ist dabei natürlich, dass man immer machen kann, was Spaß macht. Erwin Olaf hat jedenfalls keine Lust, in unkontrollierbaren Settings zu arbeiten. Er lässt bauen. Und wenn eine Steckdose im Bild ist, dann hat er vorher entschieden, dass die an dieser Stelle eingebaut werden soll. Er liebt das Zusammenspiel im Team, bei dem sich Ideen in dem Rahmen entwickeln, den er vorgegeben hat.
Geradezu konstitutiv für Werbung und Werbefotografen ist anscheinend das Denken in schlichten Gegensätzen: Bilder ganz in schwarz, darauf dann eine Serie alles ganz hell; und auf die Serie „Hope“ (2006) folgt die Serie „Grief“ (2007). Und bei den „Fashion Victims“ (2000) bekommen schöne Körper Label-Tüten über den vielleicht nicht so schönen Kopf gestülpt. Amüsant an dieser Serie ist immerhin, dass sich die Fotos am besten verkauften, auf den die Tüten mit den teuersten Labels abgebildet waren!
Zu den wohl schockierendsten Erfahrungen in seiner Karriere gehörte der beißende Kommentar einer amerikanischen Museumskuratorin, der er seine Serie „Royal Blood“ (2000) vorstellte. Sie sagte: „We call this euro trash!“ Dafür verkauft er seine Arbeiten in europäischen Galerien wie geschnitten Brot. Und seine Galerie in New York vertritt, so schließt sich der Kreis, exklusiv Joel Peter Witkin.
Erwin Olaf wird in diesem Jahr 50. Es gehört eben auch eine gehörige Portion Ausdauer dazu, ganz nach oben zu kommen. Erwin Olaf wirkt wie jemand, der ziemlich viel Spaß dabei gehabt hat – und noch haben wird.