Fotostudio: Modell Star-Frisör oder Sterne-Koch?

Je erfolgreicher ein kommerzieller Fotograf ist, desto mehr Menschen beschäftigt er. Schon im Sinne der Mitarbeitermotivation muss er sich also früher oder später die Frage stellen: “Wie soll ich das Studio führen?” Der Fotograf rutscht in die Funktion eines Managers mehr herein als er (oder sie) diese Entscheidung, zu managen, bewusst trifft. Zum Thema Mitarbeiterführung gibt es hinreichend schlaue Werke und Seminare, davon sollte man sich durchaus mal eines zu Gemüte führen. Aber damit, die Assis zu loben und einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch zu führen, ist es in diesem Fall nicht getan. Zunächst muss sich der Fotograf entscheiden, ob er nach dem Modell Frisör oder nach dem Modell Koch agieren will.

Fotohonorare staffeln?

Auf die Idee dieses Vergleiches brachte mich ein Beratungsgespräch mit einem sehr erfolgreichen Studiofotografen. Es ging darum, wie er sich weiter entwickeln könnte (und sollte). Dabei wurde unter anderem thematisiert, wie er sein Studio organisieren könnte und vor allem, wie viel er eigentlich noch selbst fotografieren sollte. Er fragte mich gegen Ende des Gespräches sinngemäß: “Denken Sie, ich solle nach außen gestaffelte Honorare anbieten, je nach Erfahrung des ausführenden Fotografen?”
“Auf keinen Fall!” erwiderte ich. Man würde sich so am generellen Preisdumping beteiligen, das kann das ganze Unternehmen gefährden. Und dann stelle man sich vor, wie das wäre, wenn alle nur noch die preisgünstigen Kräfte beauftragen würden – und man stünde als Chef arbeitslos daneben. Das sieht nicht nach erfolgreichem Vorbild aus. Oder alle würden nur den Chef wollen, dann hat sich an der Situation nichts geändert. Das Delegieren entfällt.
Bildlich gesprochen, ist es das Modell Frisör, bei dem der Chef die Richtung vorgibt, aber nur noch die betuchte Klientel selbst frisiert. Wer für einen Haarschnitt weniger bezahlen möchte, geht zum Top- oder gar zum Junior-Stylisten. Das funktioniert bei Frisören, die viele schnelle Aufträge zugleich bewältigen müssen (ein Haarstyling dauert rund eine Stunde) prima, ist aber für Fotografen, die oft tagelang und im Team an einem Auftrag arbeiten, nicht ideal.

Speisekarte updaten!

Ich empfehle das Modell Chef-Koch, schon allein, weil das damit verbundene Bild – die Kunden kommen, weil ihnen schmeckt, was angeboten wird – viel animierender ist. Bleiben wir kurz bei diesem etwas heiklen Punkt: Meistens schmeckt es wie bei Muttern, das heißt gut, weil man das schon ewig kennt und gewohnt ist. Das soll heißen, das Studio arbeitet seit Jahren mit den gleichen Auftraggebern, man “muss eigentlich nicht akquirieren”, aber es gibt auch keine ernsthaften Herausforderungen mehr – schließlich kann man immer abliefern, was verlangt wird.
Besser wäre es natürlich, die Speisekarte hin und wieder mit frischen Gerichten aufzuwerten. Auch langjährige Kunden wollen sicher sein, dass sie mit dem besten und innovativsten Studio arbeiten – und nicht nur mit dem, das räumlich am nächsten liegt.
Oft scheint es in der kommerziellen Fotografie jedoch statt Speisekarte nur eine Art Tagesgericht oder alternativ eine riesige Tiefkühltruhe mit Fertigportionen zu geben. Die Speisekarte, das ist natürlich das “Mission Statement”, die in einem Satz zu formulierende Ausrichtung des Fotografen oder Studios. Dieses wird immer wichtiger werden. Also: kein Gemischtwarenladen anbieten, sondern eine klare Linie im Angebot zeigen. Dazu sollte man tunlichst wissen, was man wirklich möchte – und in Zukunft akquirieren will.

Sein Potenzial zu entwickeln braucht Muße

Eine gute Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln, ist, mehr an die Mitarbeiter zu delegieren, um eigene freie Projekte zu realisieren, die wiederum zum Aushängeschild der Studioqualität werden, gerade weil sie nicht vordergründig kommerziell sind, sondern im Idealfall künstlerische Qualitäten (das Gegenteil von kreativem Basteln!) zeigen. Zudem sollte die gewonnene Zeit dazu genutzt werden, sich um die Kundenkontakte intensiver zu kümmern oder andere Managementfunktionen zu übernehmen.

chefkoch
Der Chef gibt noch den finalen Touch, bevor das Produkt rausgeht.

Wie der Sterne-Koch gibt der Star-Fotograf die Richtung vor, entwirft die Speisekarte und teilt das Team ein. Beim Koch wäre es vollkommen unsinnig, er würde das Gericht komplett selbst fertigen. Da gibt es klare Rangordnungen und Abläufe, nicht zu vergessen die Spezialisten, beispielsweise für die Saucen oder den Patissier. So funktioniert es auch im Studio, jeder hat seine Spezialität und auf Zuruf funktioniert das gesamte Team bis hin zu den armen Photoshop-Sklaven. Dabei sollten die ausführenden Spezialisten durchaus auch den Kunden gegenüber genannt werden.
Der Chefkoch-Fotograf steht aber immer am Pass und kontrolliert, was zum Kunden rausgeht. Die Endkontrolle ist das Wichtigste überhaupt. Wenn alle Aufträge so gut erledigt werden, dass sie den Maßstäben entsprechen, die an die Arbeit des Chefs gelegt werden, dann ist auch das hohe Honorar gerechtfertigt, das für eine Arbeit des Top-Fotografen zu veranschlagen ist.