Eindrücke von der Unseen Photo Fair 2016 in Amsterdam
Warum fahre ich zur Unseen nach Amsterdam, aber nicht im November zur Paris Photo? In Paris zeigen die Galerien Fotokunst auf Museumsebene. Mithin überwiegend Bilder aus der Vergangenheit der Fotografie, Bewundernswertes, Unbezahlbares. In Amsterdam wird ausgestellt, was gerade frisch produziert wurde. Hier kann man die Zukunft der Fotografie sehen; sich zumindest einen Überblick verschaffen, was im Trend liegt. Daher ist die Unseen für mich im Moment interessanter.
In diesem Jahr hat sich der Eindruck, dass die traditionelle Fotografie auf dem Kunstmarkt nur noch wenig Chancen hat, weiter bestätigt. Käufer sind entweder private Sammler oder Institutionen, die wiederum durch KunsthistorikerInnen vertreten werden. Und der einen wie der anderen Käufergruppe ist die traditionelle Kunst eben näher als eine dokumentarisch schlichte Fotografie. Eine Säule der dokumentarischen Fotokunst, Simon Roberts, war bei einer italienischen Galerie mit collagierten Postkarten zu sehen. Ich hätte heulen können. Muss man das jetzt machen, um als Fotokünstler überleben zu können? Es sieht so aus.
Touched curated by Anton Corbijn
Groß geworben wurde mit einer von Anton Corbijn kuratierten Ausstellung in einem wunderbaren historischen Gebäude der Amsterdamer Schule, etwa 20 Gehminuten von den Galerien in der Westergasfabriek entfernt. Ausgewählte zeitgenössische Fotografen vereint unter dem Motto: „craftmanship plays an important part in their practice“. Damit war allerdings etwas anderes gemeint, als man denken könnte, nämlich nicht Handwerk im eigentlichen Sinne, sondern manuelle Eingriffe. Und so richtig selbst kuratiert hatte Corbijn das wohl auch nicht. Wie es Marcel Feil, der künstlerische Leiter des FOAM Fotografiemuseums in Amsterdam erkärte, habe er ein paarmal mit Corbijn, der in der Welt unterwegs war, geskypt. Letztlich fungiert der groß gedruckte Name des Fotografen auf dem Plakat wohl in erster Linie als Publikumsmagnet. Es hat gewirkt, alle haben sich die Ausstellung angesehen – einige waren enttäuscht. „Ich kaufe mir jetzt auch Schere und Kleber“, simste mir ein Fotograf.
Tausend Worte sagen mehr als ein Bild
Der Kurator begeisterte sich beispielsweise sehr für Adam Jeppesen (Däne, Jg. 1978), der in Patagonien fotografiert hatte und das recht belanglose Baummotiv zuhause dann in Teile zerlegt schwarzweiß fotokopiert. Diese Kopien waren mit dünnen Nägeln fixiert. Optisch ein interessanter Effekt. Im Begleitblatt wird behauptet: „In the photographs we find traces of his journey; scratches, stains and dust that remains on the surface of the negative. These traces invest the photographs with a sense of physicality, telling us just as much about the journey as the images themselves do.“ Marcel Feil wies eigens auf die vom Künstler selbst gebauten Holzrahmen hin, die einen speziellen Geruch hätten. Daraufhin fragte einer der Anwesenden, ob der Rahmen denn aus den Bäumen aus Patagonien sei, die auf dem Bild zu sehen wären.
Ist das die Erwartungshaltung, der ein Künstler heute gerecht werden soll? Dass die Story wichtiger wird als das Bild? Sagen wir so: Ohne Story läuft da nichts. Das ist nicht neu, wird aber immer bedeutender.
Ein Bild von Corbijn selbst ist dort nicht, wohl aber in der Sammlung von Akzo Nobel zu sehen. Das Entree der neuen Firmenzentrale in Amsterdam zeigt wechselnde Ausstellungen, die für jedermann frei zugänglich sind. Kuratorin Hester Alberdingk hatte schon auf der Unseen eingekauft, als sie eine Führung durch die Ausstellung gab. Neben zahlreichen wirklich sehenswerten Werken moderner Kunst in einer Porträtreihe dann auch ein Corbijn. Aber eben kein „reiner“, sondern eine Kooperation mit Berend Strik, der das Corbijn-Foto von Nelson Mandela bestickt hat.
Fotokunst von günstig bis gerade noch erschwinglich
Um nicht mißverstanden zu werden: Ich möchte das nicht kritisieren. Es geht mir nur darum, zu klären, was jene anders sehen, die über das Budget verfügen, Kunst anzukaufen. Und die finden das Medium Fotografie im Moment ganz faszinierend, auch weil es gerade in Amsterdam noch preiswerte Arbeiten gibt. So gab Flip Bool an, ein Bild für 250 Euro erstanden zu haben. Wenn ich bei Werken nach dem Preis schaute, lag dieser eher in der Region ab 6.000 Euro. Grundsätzlich aber gilt für die Unseen, dass von Niederländern eher kleine Werke zu günstigen Preisen erworben werden. Da auch viele große Formate auf der Messe hingen, warteten die vielleicht eher auf Käufer aus anderen Ländern. 10.000 Besucher waren zur fünften Unseen in der Westergasfabriek, in der 53 Galerien Werke von über 150 Fotografen ausstellten. Zudem gab es zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen „drumherum“, super Wetter und nicht zu vergessen das schöne Amsterdam selbst.
Vom Besuch im Fotolabor der niederländischen Fotokünstlerin Scarlett Hooft Graafland berichte ich in Kürze.
Hier mein Bericht über die Unseen 2014.
Beitragsbild: A Telepathic Subject, 2016 © Christto & Andrew (Erkennungsbild der Unseen 2016)