Fotos präsentieren mit Mühe

ADC-Kongress in Frankfurt am Main, Freitag 6. Mai 2011: Von 14 Uhr bis 14:30 soll der so genannte „Fotoblock“ stattfinden. Unter dem viel versprechenden Titel „Ein Treffen mit Fremden“ sollen Andreas Mühe und Daniel Stier über „die perfekte Inszenierung vor der Kamera“ sprechen – potenziell vor Werbern, Artbuyern, Kreativen oder solchen, die es werden wollen. Während Piero Lissoni über italienisches Design (respektive über seine Designarbeit) referierte und mehr als 30 Minuten überzog, hatte ich ausreichend Zeit, in der dunklen Ecke hinter der Bühne die Abteilung Fotografie der diesjährigen Ausstellung des kreativen Outputs der Nation anzusehen. Viel konnte man nicht erkennen von den Fotos, die auf schwarze Pappen aufgezogen und nur durch einige wenige Neonröhren am Messehallendach beleuchtet waren. Immerhin waren jetzt die Namen der ausgezeichneten Fotografen zu finden – eine Verbesserung gegenüber dem letzten Jahr.

Daniel Stier präsentierte seine Fotos mit dem Rücken zum Publikum.
Daniel Stier präsentierte seine Fotos mit dem Rücken zum Publikum.
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Projizierte Fotos, farbig beleuchtet: "bundisch", wie der Hesse sagt.

Auftritt Daniel Stier, Porträt- und Magazinfotograf in London, mit einem Royal-Wedding-Foto, das nicht von ihm ist. Zur Überbrückung des ersten Moments, gab er als Begründung an. Aha. Stier hat in Dortmund studiert, seinerzeit noch beim FAZ Magazin angefangen, und realisiert neben Promi-Porträts für englische Magazine auch freie Projekte und Werbeaufträge. Er wurde 1966 geboren, wo verschweigt er, klingt aber hessisch. Da ist nun jemand, der gute Fotos macht, Erfahrung im Job hat und am nächsten Tag einen Workshop leiten wird, und alles könnte so schön und interessant sein, wenn sich der Fotograf denn vorbereitet hätte. Was heißt: Sich kurz überlegt hätte, was er zu seinen Fotos sagen will. So viel Respekt gegenüber dem Publikum sollte schon sein. Sich den Großteil des Vortrags mit dem Rücken zum Auditorium zu stellen, ist jedenfalls ein Unding – zumal wenn man den karierten Rücken parallel auf der Großbildleinwand sieht. Eingefallen ist ihm dann leider auch nicht mehr, als durch die Fotos zu zappen, die man dank der Spitzenbeleuchtung der Bühne mehr schlecht als recht erkennen konnte, und immer wieder zu sagen, dass dieses ein Foto sei, das ihm besonders gefalle. Ich meine: Davon ist doch auszugehen, dass dem Fotografen seine Fotos gefallen, oder? Und dann fiel ihm recht häufig nicht der Name des Abgebildeten ein. Ich gehöre auch zu den Namenvergessern und kann das nachvollziehen. Aber mit Mitte Vierzig weiß man, dass Alzheimer naht, und setzt die Namen der Porträtierten unten in die Fotos rein. Hätte halt etwas Mühe gemacht, wäre aber professioneller rübergekommen.

Andreas Mühe und Daniel Stier im Gespräch mit dem Moderator, der mehrfach raushängen ließ, dass er der Sohn von Frank Elstner ist.
Andreas Mühe und Daniel Stier im Gespräch mit dem Moderator, der mehrfach raushängen ließ, dass er der Sohn von Frank Elstner ist und die beiden überdies zwang, ihn mit seinem Handy zu fotografieren. Damit nicht genug, überlegte er laut, welches Foto besser wäre und dass er es aber nicht sagen dürfe. Geht's noch peinlicher?

Apropos Mühe: Der machte sich nun gleich gar keine und ließ einfach seine Webseite einblenden, auf die man ja gucken könne. Dafür hatte ich mich nicht vom Rechner losgeeist und war nach Frankfurt gefahren! Die Webseite von Andreas Mühe kenne ich. Er ist das beste Beispiel für einen Fotografen, der es mit seinem besonderen Stil geschafft hat – und auf keine kommerziellen Aufträge mehr angewiesen ist. Er hat aber als erfolgreicher Fotograf und Vorbild eine gewisse Verantwortung der Branche gegenüber, speziell, wenn man eigens auftritt, um die Fotografie zu repräsentieren. Beide Fotografen arbeiten mit Großbildkameras, gaben hier jedoch ein sehr unprofessionelles Bild ab. Und dann wundern sich alle, warum der Fotografie und den Fotografen so wenig Wertschätzung entgegengebracht wird! Wenn schon die Fotografen es nicht für erforderlich halten, ihre eigenen Arbeiten als in irgendeiner Weise relevante Zeitzeugnisse, Kunstwerke oder auch nur gut gemachte Auftragsarbeiten zu präsentieren, wie kann man dann erwarten, dass es andere tun?

Fotografen müssen keine Präsentationsprofis sein, aber ein wenig Achtung vor dem Publikum und ein wenig Bewußtsein für die Rolle, die man in dem Moment spielt, wären schon erforderlich. Wenn man es als unangenehm empfindet (wie Stier) oder keine Lust hat (wie Mühe), dann sollte man sich nicht auf die große Bühne stellen. Das Selbstbild und die eigene Wirkung liegen bei Fotografen oft weit auseinander. Da können sie noch so gute Arbeit machen und noch so nett sein, aber sich abfeiern lassen wollen und in jedem Moment zu signalisieren, dass einem das Publikum am Ärmel vorbeigeht, ist nicht die feine Art. Da lobe ich mir Lapo Elkann, der war als Star des ADC Festivals angekündigt und hat abgesagt, als der Name schon überall publiziert war. So machen das die Profis!

11 Antworten

  1. Es ist der Mühe nicht Wert sich zu ärgern. Halten Sie die Augen offen, denn Sie werden sie wider sehen. Die Stars für die ich vor 15 Jahren assistierte, haben heute alle Ihre Millionen verprasst, z.T. auf Hartz IV und selten realisiert, dass der Zenit hinter ihnen liegt. Und die Halbwertszeit ist heute extrem verkürzt.

    Die Parties, das Buffet und der Überraschungsgast bei den ADC-Auszeichungen sind doch eine positive Erinnerung wert, auch wenn ich Ihre Enttäuschung verstehen kann.

  2. Eine wunderbare Beschreibung des Zeitgeistes in sehr vielen Fällen und fast überall. Da die meisten Menschen Qualität nicht schätzen und/oder kennen, kann man viel Geld mit geringer Qualität verdienen. Das gilt für Fotos ebenso wie für Vorträge.
    Wahrscheinlich ist dies aber eher ein aussterbendes Problem einer Generation über 45 (ich gehöre auch dazu), für die es noch Unterscheidungsmerkmale für Qualität gibt.
    Weder in der Industrie noch in den Medien gibt es viele Menschen, die Qualität überhaupt noch erkennen.

    Sicheres Auftreten bei manchmal totaler Ahnungslosigkeit ist heute die Devise – und faktisch ist dies sogar finanziell sehr lukrativ wie die Darstellung dieser Veranstaltung ja offenkundig auch gezeigt hat.

    Da viele Entscheider und Personaler selbst so weitergekommen sind, ist es schlimm, wenn jemand was kann. Zumal man in Deutschland mit Können heute nicht mehr weiterkommt sondern nur mit Kennen (von den richtigen Menschen).

  3. Erfrischend, in Zeiten, in denen immer alles super ist, auch mal eine kritische Bewertung zu lesen. Hasse auch Zeitverschwendung durch Dreistigkeit, Ihre Antwort ist die richtige.

  4. Interessanter Artikel und mal wieder sehr lehhreich, wie abgehoben manche Fotografen doch sind. Ich finde sowas extrem schlimm. Schliesslich bezahlt man oftmals Eintritt, der nicht gerade billig ist. Nimmt eine weite Anreise auf sich, um dann enttäuscht zu werden.

    Bis zu diesem Artikel kannte ich Andreas Mühe nicht. Ich habe mich gerade auf seiner Webseite umgeschaut und die Antwort gefunden, warum ich Ihn nicht kenne. Seine Bilder sind es in meinen Augen nicht wert (PUNKT) Da ist kein einziges dabei, wo ich sage „wow…das brennt sich gerade in meinem Hirn ein. Ein sensationelles Foto mit extrem viel Aussagekraft“. Bei seinen Fotos verspühre ich nur Leere. Klick nächstes Bild, klick nächstes Bild, …., gääähn….ok nichts verpasst!

    Micha

  5. Kompliment zu dem kritischen Kommentar.
    Ohne Wertschätzung und Respekt vor dem Publikum kann´s nur nach hinten los gehen.

    @Michael: 100% Gähn, kann ich nur Recht geben.

  6. Kleiner Tip für Namenvergesser:
    Bei Präsentationsprogrammen wie Powerpoint oder Keynotes, kann man zu jeder Folie auch Notizen eingeben, die bei entsprechender Konfiguration für das Publikum unsichtbar synchron auf dem Präsentationslaptop angezeigt werden. So kann man sich neben den Namen auch spontane Anekdoten zum Bild soufflieren lassen, mit denen man sein Publikum hoffentlich unterhält.

  7. Danke für diesen Einblick! Ich denke, gerade Fotografen, die ja ihre Gefühle usw. visualisieren, müssen ihre Arbeit, so sie denn voll dahinter stehen, auch präsentieren können. Warum auch nicht?! Ist nicht jeder Künstler stolz auf seine Werke? Und in gewisser Weise auch darauf, dass sie anderen gefallen?
    Ich finde es peinlich und gleichzeitig erfrischend für die Zukunft …

  8. Präsentieren können muss man nicht, aber ein Grundverständnis von Respekt sollte einfach gegeben sein. Da darf der Vortrag auch holprig rüberkommen, solange der Zuschauer nicht das Gefühl hat verschaukelt zu werden

    P.S. Mühe hat ein Impressum.

  9. Schade, ich mag Mühes Arbeiten sehr. Sie sind erfrischend anders und heben sich von der Masse ab. Aber mehr Mühe bei der Präsentation hätte sicherlich nicht geschadet – ausser es war Absicht, sein „Image“, weil er nicht „zu kommerziell“ sein will etc. 😉 (rollaugen)