Zu Besuch im Wunderland von Frank Kunert

Die Beschreibung, wie er zu finden sei, klang schon wie aus seinen Bildern: Das Haus mit den grünen Fensterläden gegenüber von einem kleinen Spielplatz. Das Museum Boppard hat Frank Kunert eine sehr schöne Ausstellung eingerichtet. Grund genug an den Rhein zu fahren, um ihn und seine Bildwelt zu besuchen.

Frank Kunert vor dem Eröffnungsbild seiner Ausstellung Wunderland
Alles selbst gebaut! Der Künstler in seiner Ausstellung im Museum Boppard, die bis zum 28. Januar 2018 zu sehen ist.

Im obigen Bild gestaltete Kunert, der gebürtige Frankfurter, eine Referenz an seinen neuen Wohnort. Boppards berühmtester Sohn ist Michael Thonet, ein Tischler, der um 1840 das Bugholzverfahren entwickelte. Der österreichische Staatskanzler Metternich meinte, in Boppard würde er arm bleiben, er solle doch nach Wien kommen. Daher verbindet man die Thonet-Stühle mit Wiener Caféhauskultur. Das ist also der Hintergrund zu obigem Bild, für das Kunert Stuhlminiaturen im Museumsshop erstand. So weit, so praktisch, aber unkunertsch. Für die bessere Bildwirkung polsterte er die kleinen Stühlchen, bearbeitete und lackierte sie neu. Und natürlich ist der Boden im Bild nicht nur handgemalt, sondern für die plastische Wirkung mit einem zahnärztlichen Instrument im Kachelmuster geritzt. Das erklärt, warum die Erschaffung eines neuen Wunderland-Motivs etliche Wochen in Anspruch nimmt. Er hat eine Ausbildung zum Fotografen absolviert, aber heute ist er eher ein Illusionist, denn ein Fotograf. Mit der analogen Großbildkamera betrachtet er die von ihm selbst gebauten Welten aus einer einzigen Perspektive. Jener, die den Betrachter in die optische Illusion hineinzieht. Er arbeitet mehr mit den Händen als mit der Kamera. Die Hände sind es auch, mit denen „ich die Dinge genau betrachte, auf mich wirken lasse und versuche, ihr Wesen zu verstehen.“

Arbeitsplatz Frank Kunert
Der Arbeitsplatz, in dessen Hintergrund sich viele Schübe mit Roh-Materialien befinden: alles Wertstoff, einiges davon tatsächlich vor der gelben Tonne bewahrt.
Balkon an Reaktor-Modell
„Kleinod“ heißt das Bild von 2008, aus dem eine Kernreaktorkuppel auf Rollen im Hausflur von Frank Kunert steht.
Schwebendes Hotel Modell
Schwebt im Museum: „Kletterurlaub“. Für 3.000 Euro würde sich Frank Kunert von dem skupturalen Unikat trennen.
Frank Kunert an einem seiner Objekte
In einem leicht gruftig riechenden Seitenraum des Museums steht Frank Kunerts „Ewige Liebe“ in passender Umgebung.
Blick in die Ausstellung
Kein Preis für den „Traum vom Glück“ (2008, Mitte): hinter Acrylglas ist er für 1.500 Euro zu erwerben.
Frank Kunert hinter Vitrine
Die motorisierte Wiege aus „Ein Kindheitstraum“ in der zweiten Etage der „Wunderland“-Aussstellung.
Ausstellungsraum Boppard
Wunderland mit Blick auf den Rhein. Foto: Frank Kunert
Plakat Frank Kunert Wunderland
Wie man in der Spiegelung erkennt, liegt das Museum direkt am Rheinufer. Lastkähne und Ausflugsschiffe bilden durch die Panormafenster im Museum einen bewegten Hintergrund zur Wunderland-Ausstellung.

Wunderland (in) Boppard

Und wenn man wieder draußen steht, nimmt man die Umgebung anders wahr: Das Hotel Rheinlust nebenan könnte ein Element in einer der nächsten Kunertschen Wunderwelten werden. Und die Pflanzendekoration in den Fenstern des Ausflugslokals weisen eine irritierend künstlich wirkende Serialität auf.

Das Anekdotische ist aber nur ein Element der Kunertschen Arbeiten. Sein liebevoller, oft mitfühlender Blick auf die Sehnsucht nach Glück und einem Stückchen Freiheit – in Form eines Balkons beispielsweise – regt an, die eigene Wahrnehmung zu überdenken. Und sich zu fragen, was Glück bedeutet. Wie sieht die eigene kleine Welt aus? Und wie betrachten wir die Welt da draußen? Die Bilder von Frank Kunert wirken wie ein optisches Erfrischungstuch.

Bald erscheint nach „Verkehrte Welt“ und „Wunderland“ ein neues Buch. Bis dahin unbedingt die Ausstellung in Boppard besuchen! Die großen Bildformate geben im Unterschied zum kleinen Buch- oder Postkartenformat auch bisher kaum bemerkte Bilddetails preis. Es gibt die Objekte zu sehen und das Museum ansich ist sehr schön neu gestaltet.

Siehe auch Frank-Kunert.de

 

2 Antworten

  1. Vielen Dank für den Tipp zum Museumsbesuch in Boppart.

    Ich war in der Gegend unterwegs und die Kurfürstliche Burg, in der das Museum untergebracht ist, lohnt einen Besuch auf jeden Fall. Für mich war das eine sehr gute Kombination – ich mag die Installationen und Fotos von Frank Kunert schon lange. Die Objekte im Original zu sehen ist nochmal eine Nummer besser.

    Ich wusste wohl, dass Thonet aus Boppard kam, dass das kleine feine Museum aber auch eine solch umfangreiche und interessante Ausstellung zu den Bugholzmöbeln der Firma Thonet präsentiert, habe ich erst vor Ort gemerkt. Wirklich sehenswert.

    Und ja als ich wieder auf der Straße stand, sah ich sehr viele zukünftige Kunert-Motive.

    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar! Das freut mich sehr, dass Sie die Anregung aufgenommen haben. Ich fand das Museum insgesamt auch sehr interessant und schön gemacht.