Wie wichtig oder unwichtig ist Technik? Das kommt ganz darauf an, wer fragt und welcher Anwendungsbereich der Fotografie gemeint ist. Es gibt keine pauschale Antwort, und ganz sicher kann man nicht erwarten, beim tendenziell künstlerischen Arbeiten eine rezepthafte Anleitung à la „Einführung in Lightroom 4“ zu bekommen. Ein offensichtlich fototechnisch orientierter Leser meines neuen Buches, Fotografie mit Leidenschaft, postet auf Amazon seinen Frust darüber, dass er verunsichert sei. Er schreibt u.a. über mich: „Die Beschäftigung mit Technik hält sie hingegen für entweder überflüssig oder selbstverständlich – das ist mir nie so ganz klar. Einerseits klingt es so, als sei das Wissen einfach leicht zu erwerben, andererseits klingt es manchmal fast so, als sollte man gar nicht erst damit anfangen, sich technisch weiter zu bilden. … sie spielt die Bedeutung der Technik wie gesagt stark herunter, lobt aber regelmäßig Bilder, die mit Großformatkameras aufgenommen wurden und stellt auch in ihrem Blog mit Vorliebe technisch absolut aalglatte Bilder vor.“ Ich greife diesen Punkt auf, weil ich eine Diskussion begrüße und gerne auch begleitend zum Buch an dieser Stelle führe.
Fototechnik als Teil des Handwerks
Zunächst einmal möchte ich unterscheiden zwischen Fototechnik und dem fotografischen Handwerk. Am Wochenende war hier im Haus ein Workshop, bei dem die Teilnehmer Bildergebnisse, denen man nicht unbedingt ansah, dass sie mit teuren Ausrüstungen entstanden waren, auf hochwertigen Papieren ausdruckten. Es kam gar die Frage auf, wie man denn seine 20-Megapixel-Urlaubsfotos am besten runterrechne, weil sie ja doch nur in Postkartengröße ausgedruckt würden. Dass die digitale Mittelformatausrüstung allenfalls scharfe, aber noch keine interessanten Fotos garantiert, ist eine Binsenweisheit. Wichtiger als eine kostspielige Kamera wäre, etwas zu sehen, etwas zu sagen zu haben oder ein Konzept umzusetzen. Die bei kommerziellen Fotografen bewährte, sinnvolle Reihenfolge wäre auch für den Hobbyfotografen: Erst einen Plan zu schmieden, was man fotografieren will, dann die passende Technik oder Ausrüstung zu bestimmen.
Fotografie ist zu einem guten Stück Handwerk, das erlernt werden sollte. Dazu gehört auch, Licht zu setzen. Sie wissen ja: „Der Amateur kümmert sich um die Kamera, der Profi ums Licht.“ Damit umzugehen ist ohne Zweifel schwer, viele Fotografierende vermeiden Kunstlicht aus gutem Grund. Ein solches handwerkliches Defizit wird erst problematisch, wenn aus den privat gemachten Hochzeitsfotos plötzlich Auftragsarbeiten werden, wenn dann, nach ein paar sehr gelungenen Porträts auf der Wiese, auch vor Beautyfotos und Businessporträts nicht halt gemacht wird. Die Ergebnisse fallen meist erschreckend dilettantisch aus. Aber da fachfremde Kunden den Unterschied nicht einmal bemerken, sacken Niveau und Preise immer weiter ab. (Berufsfotografen sollten auf solche Qualitätsunterschiede stets hinweisen!)
Es gibt weite Bereiche in der Fotografie, in denen die Inspiration nur 10 Prozent ausmacht und 90 Prozent schweißtreibendes Handwerk sind. Für jeden, der kommerziell arbeitet, halte ich eine solide handwerkliche Ausbildung für unabdingbar. Technisches Wissen ist ein Teil des Handwerks, und dieses ist heute für jeden leicht online zu erwerben. (Der andere Part ist die tägliche Praxis.) Mein Punkt ist, dass es beim handwerklichen Arbeiten alleine nicht bleiben sollte, sondern der Werbefotograf sich, um in der Zukunft zu bestehen, ab und an mit einem persönlichen Projekt kreativ wieder „einnorden“ und auf sich aufmerksam machen sollte.
Der Hobbyfotograf unterliegt häufig dem Irrtum, das technische Wissen alleine reiche schon aus, sich als Fotograf zu qualifizieren. Ihm fehlt aber die praktische Erfahrung, jeden Tag Aufgaben bestmöglich zu lösen und sich im harten Kampf um die Jobs zu bewähren. Ich habe in „Erfolg als Fotograf“ ausführlich geschildert, was jenseits der Technik wichtig ist.
Die Kamera: Prestigeobjekt oder Arbeitsgerät?
Künstlerisch arbeitende Fotografen interessieren sich für Fototechnik allenfalls als Mittel zum Zweck, jedoch nicht als Selbstzweck. Mit archaischen Kamerasystemen arbeiten sie entweder, weil sie sich die 20-Megapixel-Digitalkamera finanziell nicht leisten können und/oder, weil das Analoge eine besonnene Arbeitsweise mit sich bringt. Genau das ist es, was ich im neuen Buch schildere: Arbeitsweisen von Fotografen. Dabei stellte sich auch für mich überraschend heraus, dass viele analog fotografieren. Da frage ich natürlich: Warum ist das so und wie wirkt sich das aus? Sie sind also nicht im Buch, weil sie mit einer Großformatkamera arbeiten, sondern weil sie inspirierende Beispiele liefern.
Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Mit der analogen Großformatkamera zu arbeiten ist solides fotografisches Handwerk, das einen in Verbindung bringt mit der gesamten Geschichte der Fotografie, zudem klassisches low-tech.
Die Schwierigkeit des Hobbyfotografen besteht unter anderem darin, sich davon zu lösen, Fotografien primär unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, mit welcher Kamera sie gemacht wurden. Da nickt dann wieder jeder, wenn man sagt, es ist komplett unwichtig, so lange das Ergebnis stimmig ist, und fragt anschließend, ob es Großbild sei. In meinem gerade erschienenen Buch geht es um die Frage, wie man inhaltlich dichte, interessante Fotos macht, welche Arbeitsweisen dafür sinnvoll sind – dazu gibt es Beispiele aus der Geschichte der Fotografie, von berühmten Zeitgenossen wie Taryn Simon und Andreas Gursky und von noch wenig bekannten jungen Fotografinnen und Fotografen.
Gerade durch die Begegnungen am Wochenende hat sich noch einmal mein Eindruck verstärkt, dass die Kamera vielfach als Prestigeobjekt und nicht als Arbeitsinstrument verstanden wird. Wer die Fotografie als Hobby betreibt, kauft sich meist die Kameraausrüstung, die er sich maximal finanziell leisten kann. (Das ist nur eine Beobachtung, keine Kritik.) Gibt es eine Alternative? Ja, man könnte überlegen, welches Instrument der eigenen Arbeitsweise am meisten entspricht. Und dann anfangen, an seinen fotografischen Ausdrucksmöglichkeiten zu arbeiten.
2 Antworten
Bravo! Die letzten beiden Sätze des Artikels sagen doch alles. Es macht zufriedener und bringt einen auf jeden Fall weiter. Sehr zu empfehlen:-)
Es gilt seit jeher in jeder Kunst als die grösste Herausforderung, mit minimalen Mitteln auszukommen. Das ist bei der Fotografie nicht anders.