Vor Weihnachten war ich in Prag. Eine Stadt, dicht gespickt mit Weihnachtsmärkten und Törtchenausgabestellen. Die Cafés sind wirklich sehenswert. Keinesfalls verpassen sollte man das Imperial im reinen Jugendstil sowie das Grand Café Orient, denn es ist das einzige kubistische Café weltweit. Es befindet sich im ersten Stock (!) eines kubistischen Hauses „Zur schwarzen Muttergottes“. Ich empfehle vorab den Besuch des kleinen Kubismus-Museums in den oberen Stockwerken. Man fühlt sich ein wenig eckig, anschließend, und kann das mit einem der guten tschechischen Biere im Café wieder glätten. Ziemlich verblüfft war ich, dass in den Cafés noch geraucht wird.
Vielleicht haben auch Sie nun etwas Zeit, sich Schräges, Ungewöhnliches anzusehen? Bewegtes Bild, gar? Zum Jahresausklang möchte ich Ihnen zwei Künstler ans Herz legen, die mit Film arbeiten, aber gewisssermaßen fotografisch denken. Das äußert sich beispielsweise in starren Einstellungen und sparsamen Schnitten. Eigentlich sind es eben Bilder, in denen sich etwas bewegt. Ich find’s großartig und sehr inspirierend.
„Staging Silence (2)“
Anfang 2016 war ich in Brasilien. Und weil es auch in Rio regnete, ziemlich viel in Kunstmuseen. Die sind übrigens sowohl in Sao Paulo als auch in Rio de Janeiro architektonisch wie auch sonst ein Tipp. Auf jeden Fall war in einer Ausstellung über belgische Künstler ein Vorhang, der wiederum zu einem sehr dunklen Raum führte, in dem ein Schwarzweißfilm lief. Mein Gatte und ich setzten uns und waren hin und weg. Alle fünf Minuten schaute der Aufseher nach, ob wir noch da saßen. Ja, der Film von Hans Op de Beeck war 20 wunderbare Minuten lang: „Staging Silence (2)“ von 2013, für mich die aufregendsten und schönsten Schwarzweißbilder 2016.
Der wahnsinnig produktive Hans Op de Beeck, 1969 in Belgien geboren, benutzt als Ausdrucksmittel, was immer ihm angemessen erscheint. Es gibt außer Videos auch Installationen, Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen. In Amsterdam bin ich seinen Arbeiten zum zweiten Mal in diesem Jahr begegnet. Die Kunstsammlung von Akzo Nobel zeigt im Entree der Firmenzentrale eine kleine Koje mit Kunstwerken von ihm.
Auch dort sind sie Fans des vielseitigen Künstlers, der in Brüssel lebt. Im nachfolgenden Video gibt er auf Englisch einen kurzen Überblick über sein Werk.
„Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“
Roy Andersson hatte ich mir jünger vorgestellt. 1943 in Göteborg geboren, wurde er nämlich erst ab 2000 mit seinen sehr skurrilen Filmen bekannt. 2014 erschien „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ (und ich habe ihn erst im November gesehen, obwohl ich „Das jüngste Gewitter“ von 2007 kannte). Szene für Szene wurde gebaut und so dauerte es vier Jahre, bis der Film fertig war. Wobei das eben kein Film mit einer „Story“ ist, sondern eher eine Aneinanderreihung von Bildern. Andersson bezieht sich explizit auf Gemälde der Neuen Sachlichkeit und auf die Fotografien von August Sander. Besonders gefällt mir, dass oft im Hintergrund noch eine Person zu sehen ist. Der Running Gag: Immer, wenn sie telefonieren, sagen sie: „Schön zu hören, dass es Euch gut geht!“
Fiktion, auf die wir uns einlassen, wirkt authentisch
Ein Blick in die Zukunft, british and very strange, wirft die Serie „Black Mirror“, die auf Netflix zu sehen ist. In Folge 3 der ersten Staffel werden Action- und Webcams weitergedacht als visuelle Rekorder unseres Erlebens, eingepflanzt hinter dem Ohr. Was passiert, wenn man jedes Ereignis im Leben noch einmal betrachten kann; was, wenn sich der letzte Moment zurückspulen lässt? Wie wäre es, wenn wir ständig dokumentieren müssen, was wir die letzten 24 Stunden oder Woche getan haben, um überhaupt ein Flugzeug besteigen zu dürfen? Beklemmende Gedanken.
Für Ihre Zukunft – persönlich und beruflich – wünsche ich Ihnen auf jeden Fall nur das Heiterste und Beste. Schöne Feiertage und viel Erfolg mit allen Ihren Plänen!
2 Antworten
Das Video „Staging Silence (2)“ von Hans Op de Beeck hat mir auch sehr gefallen. Ich besuchte im November die Ausstellung „Inszeniert! – Spektakel und Rollenspiel in der Gegenwartskunst“ in der Kunsthalle München. Obwohl Nan Goldin, Andreas Gursky, Cindy Sherman und Jeff Wall vertreten waren, hat mich Hans Op de Beeck mit der Verzauberung der 1 mal 1 Meter großen Tischplatte am meisten beeindruckt. Ich war fasziniert davon, wie während des Aufbaus der Miniaturbühne sich bei mir der Anblick der fleckigen Tischoberfläche in einem kurzen Augenblick – wie wenn ein Schalter umgelegt wurde – zu einem grandiosen Landschaftsbild verwandelte. In meinem Blogbeitrag „Inszenierte Fotografie“ vom 16.11.16 berichte ich detaillierter darüber (zum Beitrag: http://www.w-fotografie.de/inszenierte-fotografie/).
Vielen Dank für Ihren Kommentar und den Hinweis auf Ihren Bericht über die Ausstellung in München. Habe ihn mit Interesse gelesen.