Maziar Moradi: Ich werde deutsch

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o.T., 2009, C-Print 60 x 75 cm

Maziar Moradi ist jetzt Mitte dreißig, spätestens im Alter von fünfzig Jahren  wird er einer der wenigen international bekannten Fotografen sein. Einer der besten ist er schon jetzt. Und zugleich der Beweis, dass die Legende vom unerkannten Künstler eben eines ist: eine Legende, die so viele als Rechtfertigung benutzen, sich nicht anzustrengen. Moradi hingegen arbeitet an großen und spannenden Projekten und zugleich an seiner Karriere. Das findet entsprechende Anerkennung: 2007 erhielt er den Otto-Steinert-Preis, im Jahr 2009 den Preis für Dokumentarfotografie der Wüstenrot Stiftung und die Stiftung Kunstfonds fördert sein Buch „1979“, das 2010 im Kehrer Verlag erscheinen wird, dazwischen ein Stipendium für die Serie „Ich werde deutsch“. Hinzu kommen Ausstellungen, Teilnahme an Festivals und natürlich, die Arbeit an den Fotoprojekten. Moradi studierte Kommunikationsdesign an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und machte sein Diplom vor zwei Jahren im Schwerpunkt Fotografie bei Vincent Kohlbecher.

Als das Schah-Regime stürzte, war Maziar Moradi erst vier Jahre alt, trotzdem hinterließ dies einen tiefen Einschnitt in seinem Leben. Seine erste große Serie heißt deshalb schlicht „1979“.

„1979“ erzählt von Schicksalsschlägen meiner Familie während der islamischen Revolution im Iran und des darauf folgenden Iran-Irak-Krieges. Diese unruhige Zeit war für fast alle iranischen Familien geprägt durch große Umbrüche, für die auch viele meiner Familienangehörigen exemplarisch stehen.

Ich habe aus den mir geschilderten Szenen meiner Familie Schlüsselszenen ausgearbeitet und diese mit den betroffenen Personen als Darsteller ihrer eigenen Geschichte in Bildern festgehalten.

„Ich werde deutsch“ ist die Fortsetzung dieser Arbeit. Das Thema ist nun die nächste Generation. Moradi befasst sich mit den Geschichten jener, die entweder ihr Heimatland verließen und in Deutschland aufwuchsen, so wie der übrigens auch im Film geschulte Bildautor selbst, oder aber in Deutschland geboren wurden, aber in einer anderen Kultur verwurzelt sind. Politik und Presse benutzen dafür den Ausdruck „Migrationshintergrund“ und schnell ist man dann, gerade in Moradis Wohnort Berlin, bei Hartz IV. Was dabei allzu leicht übersehen wird, ist die große persönliche Leistung, die jeder Migrant zu erbringen hat. Wer je selbst im Ausland gelebt hat, wird es wissen. Zwischen Sprachen und Kulturen hin und her zu switchen, ist anstrengend, und während es die einen spielend bewältigen, vielleicht sogar deutscher als deutsch werden, scheitern andere an den von allen Seiten gestellten Ansprüchen. Das künstlerisch zu Visualisieren erscheint als kaum lösbare Aufgabe. Umso bewundernswerter ist, was Maziar Moradi gelungen ist.

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o.T., 2008
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o.T., 2008

Die Fotoarbeiten von Maziar Moradi sind, wie solche Arbeiten heute sein sollten: In seiner Lebensgeschichte verankert oder durch sie motiviert, also persönlich. Sie sind im dokumentarischen Stil gehalten, aber inszeniert. Sie sind beeindruckend und von großer Kraft, aber vielfach auch unverständlich. Und selbst, wenn man die Hintergründe erfahren hat, wird man nicht jedes Foto (gleich) verstehen. Das macht aber nichts. Das sind schließlich keine Werbefotos mit einfacher Botschaft, sondern künstlerische Manifestationen einer biografisch motivierten Auseinandersetzung mit Gegenwart und individueller Perspektive. Was wir verstehen, ist nicht unbedingt der Sinn, wohl aber das zugrunde liegende Gefühl, das transportiert wird. Lassen wir ihnen also ihr Geheimnis. Das motiviert, sie umso gründlicher anzusehen und ihren emotionalen Gehalt wirken zu lassen.

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o.T., 2009

Eine Antwort

  1. Den Bericht habe ich zwar nicht gelesen, weil ich mir so ca. alles auf photoconsulting durchgelesen habe und nun satt bin (übrigens teils sehr schön geschrieben, hat mich erreicht), jedoch das Bild finde ich sehr stark!

    Grüße, Sören