Madrid bietet interessante Ausstellungen an meist imposanten Orten, manchmal findet man aber auch Prints eines William Klein und eines Hiroshi Sugimoto da, wo man sie nicht unbedingt erwarten würde, zum Beispiel in einem Restaurant. In diesem Fall handelt sich es um eine große Charity Auktion von Christie’s zu Gunsten der Fundación Balia, die sich für sozial benachteiligte Kinder in Spanien stark macht. Die meist großformatigen Prints hängen bis zum 21. Juni im Restaurant Lateral, Castellana 42. Die Auktion wird am 22. Juni um 20 Uhr im Museum Thyssen-Bornemisza stattfinden und kostet 35 Euro Eintritt (Cocktail inklusive) – wodurch sich der Erlös weiter erhöht. Mitorganisatorin Betty Guereta spendete das bekannte Brassai-Bild von Picasso im Café Flore, 1939. Ihre Tochter fragte sie, warum sie den Brassai weggebe, woraufhin sie sagte, dass sie damit Kindern helfen könne – und fügte im persönlichen Gespräch hinzu, außerdem besitze sie mehrere Brassais. Das illustriert vielleicht, mit welcher Nonchalance hier mit Ikonen der Fotografie umgegangen wird.
Konstruierte Welten
Bedeutende Namen und spannende Bilder zum Thema Architektur finden sich im Museo ICO unter dem Titel „Construyendo mundos“ Fotografie und Architektur in der modernen Ära. Hier sind, organisiert von der Barbican Art Gallery in London, in Räumen und Kabinetten Arbeiten von 18 Fotografen versammelt – beginnend mit Berenice Abbott und Walker Evans bis zu Andreas Gursky, Nadav Kander, Guy Tillim und Simon Norfolk. Speziell Kanders Arbeit über den Jangtsekiang ist zwar bekannt, aber in Madrid kann man einige wenige Motive in großen Formaten sehen, auf denen die kleinen Menschlein im Dunst überhaupt erst erkennbar sind. Nicht so groß abgezogen sind die Afghanistan-Fotos von Simon Norfolk, bei denen die bekannten durch neuere Arbeiten ergänzt werden. Während Norfolk die Ruinen um 2003 im optimistisch gemeinten goldenen Licht zeigt, sind die Arbeiten zehn Jahre später blau und düster gehalten. Dass Norfolk natürliches Licht einsetzt, um seine (politische) Haltung zum Ausdruck zu bringen, zeigt einmal mehr seine bewunderungswürdige fotografische Intelligenz.
Schön ist es natürlich schon, wenn man in einer Ausstellung nicht nur „alte Bekannte“ wiedersieht, sondern auch Neues entdecken kann. Für mich war das der Niederländer Bas Princen, dessen Qualität mir erst vor den Großformaten stehend so recht deutlich wurde. Sein fotografischer Blick ist nüchtern, aber mit Sinn für Skurriles.
Fotos von der Ausstellungseröffnung in der Barbican Art Gallery in London mit Bildern der Fotografen gibt es bei Getty Images. Zur Ausstellung ist ein Buch erschienen.
Mexikanisches Feuer
Zwei Ausstellungen zum Schwerpunktthema Lateinamerika sind im Centrocentro Cibeles – „Latin Fire“ im Basement links im Eingangsbereich, die andere „Revealing and Detonating. Photography in Mexico, ca. 2015“ etwas versteckt im 5. Stock. Mein Eindruck war von „Latin Fire“ eher ein dunkles Glimmen – was auch an der Ausstellungsgestaltung liegt. 180 Arbeiten von über 60 Fotografen aus acht verschiedenen Ländern aus der Sammlung Anna Gamazo de Abello – mir war das zu viel ältere Reportagefotografie und zu viel Durcheinander. Aber das ist ja Geschmackssache. Unter den Bildern dort gab es auch Exponate von Maya Goded, einer zeitgenössischen mexikanischen Dokumentarfotografin, die in der spannendsten Ausstellung des Festivals im gleichen Haus mit einer Videoinstallation vertreten ist.
„Develar y detonar. Fotografía en México, ca. 2015“ zeigt nun wirklich einmal etwas Neues, nämlich ganz aktuelle Fotografie aus einem Land, das traditionell der Fotografie verbunden ist. Die drei Kuratoren (auf Spanisch übrigens „comisarios“) gründeten gerade unter dem Namen Hydra eine Fotografieplattform. Ana Casas Broda, Gabriela González Reyes und Gerardo Montiel Klint haben es geschafft, mit Arbeiten von 52 Künstlern eine Ausstellung zu kreieren, die den Besucher in ihren Bann zieht. Man wird mitten hinein versetzt in ein Land mit vielen Problemen und in eine tatsächlich explosive Athmosphäre. Das Foto einer Wasserleiche auf den Boden zu kleben, ist so originell wie provokant. Bewegte Bilder einzubeziehen, ist ein wichtiger Schritt, wenn auch einige, wie eine Frau mit wehenden Haaren, noch etwas schlicht gestrickt sind. Eine Bildwand mit blonden Frauen mag nicht sonderlich speziell klingen, aber in einem Land, in dem damit Frauen in öffentlichen Funktionen einem ihrer eigenen Kultur fremden Idealbild nacheifern, ist das ein interessanter Punkt.
Der Katalog erscheint bei Editorial RM. Man hat ein sehr schweres Papier gewählt und es zusätzlich drucklackiert. Der Katalog ist mithin kiloschwer und schlecht transportabel, was der Verbreitung der mexikanischen Gegenwartsfotografie in Europa nicht gerade entgegenkommt. Solch ein Statusbuchbrocken ist ein seltsamer Gegensatz zur Frische und Gegenwartsbezogenheit der Ausstellung.
Die Kuratorin dieser Ausstellung, Ana Casas Broda, hat im Centro de Bellas Artes auch eine Einzelausstellung unter dem Titel „Kinderwunsch„. Die Begegnung mit ihr, die zwei Kinder großzieht, Fotografie unterrichtet und zwei Ausstellungen in Madrid vorzubereiten hatte, empfand ich als besonders eindrücklich. Auch ihre eigene Ausstellung ist wunderbar konzipiert aus Fotografien unterschiedlicher Art und Größe, Texten, Video- und Audioelementen – unbedingt sehenswert.
Weitere Informationen zum Programm der PhotoEspaña 2015 auf der Seite des Festivals.