Von Anfang Juni bis Ende August findet in Madrid die 18. Ausgabe der PhotoEspaña statt, veranstaltet von La Fabrica, einer Organisation, die unter anderem eine Galerie, einen Bookshop und ein Café betreibt, die jedoch weit entfernt davon ist, dem Festival einen organisierten Mittelpunkt zu geben. Was man erwarten kann, ist eine kuratierte Zusammenstellung hochklassiger Ausstellungen im Zentrum der spanischen Hauptstadt, während Portfolioreviews Anfang Juni in Alcobendas stattfanden, einem Ort dreißig bis vierzig Fahrminuten vom Zentrum entfernt. Ideal ist Madrid demnach für alle, die einen Städtebesuch mit dem Ansehen von (kostenlosen) Ausstellungen kombinieren möchten, anhand derer man einmal so richtig eintauchen kann in die Fotografie Lateinamerikas. Das ist nämlich das Schwerpunktthema 2015. Über Madrid hinaus organisierte die neue PHE-Leiterin Maria Garcia Yelo mehr als 100 Ausstellungen. Ich beginne meinen Bildbericht mit den historischen und zeitgenössischen Schwarzweißfotografien, von denen es viele zu sehen gab, und werde im zweiten Teil im Wesentlichen über interessante Gruppenausstellungen zur zeitgenössischen Fotografie berichten.
Fotos der Zwanziger- bis Fünfzigerjahre
Eine der in Madrid zu besichtigenden Fotoikonen ist, zumindest für Kuba, Alberto Díaz Gutiérrez, besser bekannt als Korda, dem im recht pompös-plüschigen Ambiente des Museo Cerralbo eine große, aber gleichwohl fragmentarisch wirkende Ausstellung gewidmet ist. Kuratorin Ana Berruguete konzentrierte sich auf die Frauenporträts. Dabei werden frühe Aufnahmen seiner Frau Julia erstmals gezeigt. Bisher empfanden sie die Nachkommen als Teil der visuellen Familiengeschichte und nicht der Kunst. Auffallend bei Korda ist, dass er sich stilistisch stark von den Vogue-Fotografen Penn und Avedon inspirieren ließ. Diesen Voguestil behielt er dann bei, als er während der Revolution die politischen Führer und Frauen in Kampfmontur ablichtete. So entstand auch das ikonische Che Guevara Bild, für das er spät in seinem Fotografenleben berühmt wurde.
1896 in Udine, Italien geboren, starb Tina Modotti schon im Alter von 46 Jahren in Mexico City unter ungeklärten Umständen. Und obwohl sie nur sieben Jahre lang fotografierte und sich dann vor allem politisch engagierte, ist sie bis heute eine der bedeutenden Künstlerinnen in der mexikanischen und internationalen Fotografie. Von überhaupt nur 150 überlieferten sind in Madrid 50 Prints zu sehen. Ermöglicht wurde die hochkarätige Ausstellung von der Fondacion Loewe. Gezeigt werden die Prints im Basement der Loewe Dependance an der Calle Serrano bis 30. August.
Das ist das wahrscheinlich bekannteste Bild einer bei uns nicht bekannten Fotografin aus Mexico, Lola Alvarez Bravo, die sieben Jahre mit dem berühmten Manuel Alvarez Bravo verheiratet war, und nun in Madrid mit einer großen Einzelausstellung im Circulo de Bellas Artes geehrt wird. Eben dort im Keller gibt es eine ganz winzige, aber ungleich beeindruckendere Ausstellung zu entdecken mit historischen Fotografien aus Ecuador, „In the Gaze of the Other“. Sie handelt vom Eindringen der Missionare und der Kamera in das Amazonasgebiet und zeigt wie einerseits die Menschen nicht als Personen, sondern als Vertreter von Ethnien fotografiert wurden, und andererseits die heftige Christianisierung. Ich habe zwei Bilder (schräg wegen der Spiegelungen) abfotografiert, weil man das sonst nicht zu sehen bekommt: Das eine Kind faltet bereits die Hände, die anderen beiden sind noch resistent. Und auch das Kind mit dem Kreuz ist doch recht bedrückend anzusehen. Kurator dieser kleinen Ausstellungsperle ist Julio César Abad.
Julio Zadik (1916-2002) ist ein Fotograf aus Guatemala, der in New York Fotografie studierte und die guatemaltekische Künstlergeneration der Fünfziger repräsentiert. Ihm ist im Real Jardin Botanico eine Ausstellung gewidmet. Ebenfalls dort sind auch zeitgenössische Schwarzweiß-Fotografien zu sehen, nämlich die des Brasilianers Mario Cravo Neto (1947-2009), dessen Arbeiten sich auch in deutschen Sammlungen finden.
Zeitgenössische SW-Fotografie
Chema Madoz, 1958 in Madrid geboren, hat ein Heimspiel unter dem Titel „Las reglas del juego“ in der Sala Alcalá 31: Außen ArtDeco, innen poetische Stillleben aus den Jahren 2008 bis 2014 des international bekannten Fotografen. Diese Ausstellung läuft nur noch bis zum 2. August und ist sicher einen Besuch wert. Auch hier wieder weiße Wände in einem Bau mit monumentaler Decke.
Zum Schluß noch ein weiterer berühmter spanischer Fotograf: Alberto Garcia-Alix (Léon, 1956). Nach der Ankündigung im Presseprogramm war ein 60minütiger Dokumentarfilm über ihn zu erwarten, stattdessen wurde aber 60 Minuten darüber geredet, dass dieser Film entstehen sollte. Danach eilte der Fotograf erleichtert ins Freie, um endlich eine zu rauchen. Und ich fotografierte ihn für meinen Instagram-Account.
– Fortsetzung folgt