Jetzt aber schnell! Die Ausstellung im Sprengel Museum Hannover ist nur noch bis zum 15. Januar 2012 geöffnet (siehe auch die Termine unten). PHOTOGRAPHY CALLING! zeigt mit Werken von 31 Fotografinnen und Fotografen auf über 2000 qm künstlerische Fotografien seit den 1960er-Jahren. „Die Ausstellung wird vom Sprengel Museum Hannover in Kooperation mit der Niedersächsischen Sparkassenstiftung durchgeführt und stellt ausgehend von deren europaweit einzigartiger Sammlung von umfangreichen Werkgruppen ausgewählter amerikanischer und europäischer Fotografen die Frage nach der Geschichte und den Perspektiven des ‚dokumentarischen Stils’. Mit PHOTOGRAPHY CALLING! soll ein weiteres Signal gegeben werden, um Hannover als wichtigen Standort für künstlerische Fotografie im Norden zu etablieren.“
Die Ausstellung wurde kuratiert von Inka Schube, Kuratorin für Fotografie und Medienkunst, Sprengel Museum Hannover, und Thomas Weski, Professor für „Kulturen des Kuratorischen“, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig.
Sie bietet ein internationales wie stilistisches Spektrum an, beginnend mit den traditionellen Favoriten von Thomas Weski: „Robert Adams, Diane Arbus, Lewis Baltz, Bernd und Hilla Becher, William Eggleston, Lee Friedlander, John Gossage, Nicholas Nixon, Martin Parr und Michael Schmidt. Positionen wie die von Rineke Dijkstra, Paul Graham, Thomas Struth und Fotografinnen und Fotografen folgender Generationen, wie Jitka Hanzlová, Stephen Gill, Jochen Lempert, Elisabeth Neudörfl, Heidi Specker und Tobias Zielony, schreiben die fotografische Erzählung über die Welt mit den Mitteln einer streng dem Medium verpflichteten und doch zugleich höchst subjektiven Fotografie fort. Max Baumann, Boris Mikhailov (eine überraschend spannende Serie – mm), Rita Ostrowskaja und Helga Paris erweitern die Perspektive um Erfahrungen der biografisch prägenden Konfrontation mit unterschiedlichen politischen Systemen. Laura Bielau, Thomas Demand, Hans-Peter Feldmann, Andreas Gursky, Thomas Ruff, Wolfgang Tillmans und Jeff Wall verwenden Stilmittel des Dokumentarischen im Sinne einer modellhaften Auseinandersetzung mit Wahrnehmung.“
Die Auswahl der Fotografen wirkt leider ein wenig so, als seien zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten, von denen jede seine „Positionen“ unterbringen wollte. Schade ist auch, den guten und wichtigen Ansatz durch Exponate zu verwässern, die gar nichts mit dem dokumentarischen Stil zu tun haben (z.B. von Thomas Demand). Der Ausdruck stammt von Walker Evans, der, nachdem er im Rahmen eines sozialdokumentarischen Kontextes fotografiert hatte, sich dagegen absetzte, indem er sagte, er fotografiere nicht dokumentarisch, sondern im dokumentarischen Stil, und damit seine künstlerische Haltung zum Ausdruck brachte. Beim dokumentatischen Stil geht es also nicht um die bloße Abbildung von Realität (oder von Kunst wie bei Demand), sondern um die realitätsabbildende Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel. (Evans: „You see, a document has use, whereas art is really useless. Therefore art is never a document, although it can adopt that style.„)
Thomas Weski äussert im Katalogbuch Wünsche. Denen möchte ich einen hinzufügen: Es wäre zu bedenken, es den Museen in den USA gleichzutun und jene Fotografen in Ausstellungen einzuschließen, die im eigenen Land sind, und sich bemühen, das Medium samt dokumentatischem Stil voranzubringen. Ich vermisse in der Ausstellung Arbeiten von Peter Bialobrzeski (geboren in Wolfsburg) und Andreas Meichsner (geboren in Hannover). Von Heinrich Riebesehl gar nicht zu reden. Mit Ralf Peters (aus Lüneburg), hätte man quasi vor der Haustür ein wunderbares und international anerkanntes Beispiel für jemanden, der auf der Grenze zwischen Abbildung und freier Kunst zum Thema Wahrnehmung arbeitet. Wer, wenn nicht die Niedersächsische Sparkassenstiftung und das Sprengel Museum, könnte die guten Leute in der eigenen Region würdigen?
Es gibt noch zwei interessante Termine: Am 8. Januar, 11.15 Uhr, spricht Florian Ebner, Leiter des Museum für Photographie in Braunschweig, mit Kurator Thomas Weski. Am 10. Januar, 18.30 Uhr, spricht Prof. Dr. Hubert von Amelunxen, Präsident der Hochschule für Bildende Kunst Braunschweig, mit Kuratorin Inka Schube. Und die Kuratorin veranstaltet auch noch eine Führung durch die Ausstellung am 15.1.2012 um 14 Uhr.
Der Katalog zur Ausstellung hat 460 Seiten und kostet in der Ausstellung nur 29 Euro (erschienen bei Steidl, Göttingen).
2 Antworten
Martina,
vielen Dank für deinen interessanten Blickwinkel zu dieser Ausstellung!
Klasse Fotografen und super Fotos!
Werd ich mir wohl mal anschauen müssen diese Ausstellung.
Es wird Zeit, dass in Berlin mal wieder sehenswerte Fotografen ihre Bilder präsentieren. Dennoch vielen Dank für den Tipp und die stets kritikfreudige Auseinandersetzung mit dem Thema Fotografie.
Mit besten Grüßen aus Berlin
Jens Schumann