Wertschätzung von Fotografien

blumeGestern morgen saß ich im Wartezimmer des Hausarztes und wartete auf die Blutabnahme. Nüchtern und folglich leicht unterzuckert blättere ich durch die Brigitte. Nicht durch die aktuelle Ausgabe. Lesezirkel, halt. Und was sehe ich? Den Super-Tipp, die Leserin möge sich doch einen Screenshot printen statt sich das Foto zu kaufen. Es dreht sich um künstlerische Fotos von einem Fotografen, der von seiner Arbeit leben muss.
Mir geht es dabei nicht um die juristische Frage, ob das rechtens ist oder nicht – und wahrscheinlich hätte ich nicht den Begriff „Copyright“ verwenden sollen. Aber man twittert halt spontan und ist textumfänglich ja recht eingeschränkt.
Mir geht es um die mangelnde Wertschätzung von Fotografien und der Arbeit von Fotografen. (Wobei das für viele kreative Bereiche gleichermaßen gilt.)
Screenshot an der Wand? Echt jetzt? (Ist Lumas kein Werbekunde bei G+J?)

privatkopie
„Privatkopie“ kenne ich nur bei Musik-CDs: da bleibt immerhin die Qualität erhalten! Aber bei einem Screenshot ist im Zweifel die Reputation des Künstlers betroffen.

Mich stört einfach die Selbstverständlichkeit, mit der hier dazu aufgefordert wird, über die Arbeit von anderen frei zu verfügen. Gilt das auch umgekehrt? Was wäre, wenn man Beiträge aus der (werbefinanzierten!) Brigitte auf seinem privaten Blog postet – von mir aus als Screenshot? Mir fällt überhaupt auf, dass Angestellte (= Menschen, die ein regelmäßiges Einkommen für selbstverständlich halten), oft ziemlich großzügig mit der Arbeit von Freiberuflern umgehen. Rechtfertigt der Umstand, dass man seine Arbeit gerne erledigt, bereits die Erwartung, man habe sie kostenlos zur Verfügung zu stellen? Ist das die neue Umdeutung des Begriffs „Freiberufler“?

Fotografie ist heute nichts Besonderes mehr, so wie zu analogen Zeiten, sondern alltäglich. Und es ist mir klar, dass, wer mit der Kamera als Smartphonezubehör aufwächst, Fotografie als künstlerischen Ausdruck oder auch als Handwerk nicht zu schätzen weiß. Den Digital Natives kann man das nicht vorwerfen. Aber ist es nicht beängstigend, wenn in einem Traditionsblatt wie der Brigitte solch ein Tipp veröffentlicht wird – nicht in der Bastelecke, wohlgemerkt, sondern bei der Kurzvorstellung der Arbeiten des Fotografen!

Ich publiziere das Fundstück hier jedoch nicht, um das Magazin anzuprangern, sondern einzig und allein als Symptom und Menetekel für freie Kreative: JEDE/R muss jetzt darauf achten, sich nicht unter Wert zu präsentieren. Auch das ist unter anderem Thema in meinen Vorträgen, Texten, Workshops: Jeder Einzelne in der Fotografie muss sich um die Wertschätzung für seine Arbeit aktiv bemühen, zum Beispiel durch Erläuterungen über den Wert des handwerklichen Könnens dem Kunden gegenüber.

Ganbatte kudasai!